Mueller und die Schweinerei
Muskeln, als der Schatten … unzweifelhaft ein Mensch … sich … langsam … nähert und da!
Ächzen. Schnaufen. Stöhnen.
Sie haben ihn, sie packen ihn, sie werfen ihn zu Boden, er bäuchlings, und Bucher Manfred leuchtet ihm mit der … während der Müller ihm seine Arme auf dem Rücken verschnürt … Taschenlampe ins Gesicht: Kaum zu glauben: Es ist Michael Hauser, der Musikjournalist und Safranliebhaber, der da ins Taschenlampenlicht blinzelt.
Und der Müller: »Ha, wen haben wir denn da?«
Die Frage natürlich völlig rhetorisch, das heisst überflüssig, weil er kennt ihn ja. Aber Michael Hauser erkennt den Müller nicht, weil brutal-grelles Taschenlampengegenlicht, und selbst wenn er ihn sähe: Der Müller ist von dem Körperkontakt mit den Schweinen etwas zerzaust.
»He, was ist –«, versucht sich der niedergeworfene Hauser ins Gespräch einzubringen, während er ganz nah das riecht, wie er selbst bald riechen wird. Die Knie tun ihm weh und der Rücken. Die ganze Situation ist, ich meine, nicht alltäglich und, na ja, sagen wir: anstrengend.
»Wer –«, versucht er es erneut. Aber bevor er weiterreden kann, liefert Bucher Manfred schon die Antwort, in einem Wort:
»Polizei.«
Das ist immer interessant für die Polizei: zu sehen, wie die Menschen reagieren, wenn wir das Wort »Polizei« sagen.
Ich meine, da gibt es welche, die fangen an, dich zu beschimpfen und brauchen ein Wort, das mit »Bulle-« beginnt und mit »-schwein« aufhört. Andere schiessen sofort. Wieder andere spucken. Andere bekommen grosse Augen, legen sich die Hand auf die Brust und sagen: »Was wollen Sie denn von mir?«, wobei sie das »miiiir« in die Länge ziehen, als wären sie agnusdeimässig die frommsten Lämmlein. Und dann gibt es die Schlaumeier, die in ätzendem Ton sagen: »Verhaften Sie gerne?« Wollen dir Sadismus unterstellen. Aber das ist vollblöd, weil sie nicht einmal den Unterschied kennen zwischen verhaften und festnehmen . Festnehmen ist nicht gleich verhaften. Nur selten haben wir den Haftbefehl in der Tasche.
Ist also festgenommen, der Michael Hauser. Schnauft und windet sich und versteht die Welt nicht mehr. Die Hände auf den Rücken geschnürt, liegt er wie ein Postpaket auf dem Boden. Seine Kamera ist neben ihn in den Schweinedreck gefallen.
Murrt und ächzt, aber die Polizei sagt zu ihm einfach nur: »Still!«
Das alles in wenigen Sekunden. Der Müller und Bucher Manfred stürmen gleich zur Stalltür, falls dort Komplizen. Aber draussen ist nur friedvolle, sternenklare Nacht. Kein Rennen, keine Schritte, kein Motor, der anspringt, kein Velorad auf Kies, kein Schuss, wo die Stille durchpeitscht. Hauser ist alleine hier. Müller ist sich sicher: Sie haben den Richtigen. Hat ihn seine Intuition doch nicht im Stich gelassen. Müller ist zufrieden, wirklich zufrieden, wie schon lange nicht mehr. Oder wie es Jean-Hugues de la Motte-Radabam, der berühmte französische Frühaufklärer und Sozialhistoriker des 17. Jahrhunderts, in seinem legendären schmeichlerischen Brief an den Comte Reixach d’Aubespine ausdrückte: »Glückt Ihnen das Glück, Sire, so harren Sie darin aus.«
Tag 5
Bei der Befragung in Zimmer 419 der Polizeiwache, unmittelbar nach der Rückkehr aus Oberlunkhofen, Unzeit ein Uhr fünfunddreissig, die Mauern immer noch aufgeheizt, wurde es dann allerdings komplizierter. Anwesend auf Polizeiseite: Müller, Bucher und der alte Haudegen und berühmte Eulensammler vom Friesenberg, Gustav Weiermann, der schnauft und grochst und mit einem eitrigen Hauthorn auf der Stirn leider unappetitlich aussieht, dabei ist es eine Krankheit, die nicht ansteckend ist. Und auf der anderen Seite: Michael Hauser.
Die Evidenz spricht laut und deutlich gegen Hauser. Was hat er zu jener Stunde an jenem Ort im anderen Kanton zu suchen? Das fragen sie ihn natürlich, und er tut verstockt, will nichts sagen, beruft sich auf sein Recht zur Aussageverweigerung, und das hat er. Er darf schweigen, um sich nicht selber zu belasten. Er verlangt einen Anwalt. Auch das sein gutes Recht. Aber es hilft natürlich nicht weiter. Als der Rechtsanwalt schliesslich kommt, Dr. Burkhalter, nicht schlaf-, sondern angetrunken, da erzählt der freie Musikjournalist Hauser, und was er sagt, klingt irrwitzig.
»Ich glaube, ich bin ein Medium«, sagt Michael Hauser.
»Das müssen Sie mir erklären«, sagt der Müller, der stillschweigend das Verhör an sich gerissen hat. Und mit brutalem »Sie« statt Musikszenen-Du, das
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