Mueller und die Schweinerei
Zürich sind da erforderlich, um so einen blitzartig zu finden und auszuschalten, bevor er ein Massaker anrichtet. Um etwas dagegen zu tun, gibt es auch die Sondereinheit »Skorpion«. Keine Details hier, nur: Geschwindigkeit ist bei diesem Szenario matchentscheidend … ich meine, hinterher kann man die toten Menschen definitiv nicht mehr reparieren. Das ist ein weiterer Unterschied zum Begriff »Sachschaden«, wo nur Sachen Schaden nehmen, was schlimm ist, aber ersetzlich. Wenn jetzt zum Beispiel der Mutmassliche, den der Müller unglücklicherweise und unwillentlich erschossen hat in der Müllerstrasse, wieder repariert werden könnte, dann würde der Müller alles dafür geben, weil da lebst du echt schwer damit, wenn du jemanden aus dem Leben befördert hast, wer es auch immer war. Aber Motorradmann Blacky, nach dem muss man nicht fahnden. Da hat Bucher Manfred recht. Das einzig Gefährliche, was der besitzt, ist sein Chopper. Ist nicht einmal getunt.
Im Ernstfall sagt die Einsatzzentrale: »Gut. Go!« In der Sicherheitsbranche haben sich medienbedingt ein paar Amerikanismen eingeschlichen. Der Fahndungsbefehl ist sofort draussen bei allen Streifenwagen in der ganzen Stadt. Aber diesmal eben nicht. Denn die Streifenwagen und alle anderen in 8001 bis 8099 verstreuten Polizistinnen und Polizisten haben auch ohne den Fahndungsaufruf nach Blacky genug zu tun. Sage ich mit allem Nachdruck. Auch kann die Polizei seit Neuestem, das darf ich schon ausplaudern, ein ganz neues und neuartiges Tool einsetzen, mit dem sie die Risikokalkulation und das Fahndungsmanagement ziemlich genau berechnen, ja sogar optimieren kann. Das funktioniert mit Wahrscheinlichkeitsrechnung, Perimeterdifferentialisierung und Integrationskombinatorik, ziemlich gut. Doch das Tool muss nun halt warten.
* * *
Der Müller macht sich zu Fuss auf den Heimweg. Trams fahren noch nicht. Um die Ecke in die Ankerstrasse, Richtung Helvetiaplatz hoch. Will in wenigen Sekunden quer über den Platz, dann die Langstrasse hinauf, das Stückchen die Badenerstrasse raus, um dann über die Kalkbreite in Richtung Wiedikon zu gehen, ins Bett. Vielleicht sollte er zu Hause doch noch seine Tablette nehmen, die für die Seelenruhe und etwas Schlaf gut ist?
Aber sein Bett ist noch weit entfernt, er erst beim Helvetiaplatz. Von der Ecke beim Heilsarmeemännerheim aus sieht er einen, der sich am Postomaten vor 8026 Zürich-Aussersihl zu schaffen macht. Im blauen Licht, damit du die Venen nicht findest, die in dieser Gegend so oft gestochen werden.
Normal würde es so laufen:
Müller: »Hallo, Danny«, und er würde ihm den eisernen Griff auf die Schulter legen.
Danny durch seine Zahnlücken: »Oh, nein, der Müller.«
Müller: »Doch. Du weisst ja, wie’s ist: Ich darf nicht wegschauen.«
Danny: »Nur das eine Mal. Bitte.«
Müller: »Geht nicht. Ich bestell dir das Taxi.« Und wählt die Streife an. Die Kollegen sind sowieso gleich um die Ecke, nehmen Danny mit, der seit Jahren bei der Polizei Stammkunde ist und wirklich in einem schlechten Zustand ist.
Müller noch zu den Kollegen: »Seid gut zu ihm.«
Doch in dieser Nacht ist alles anders:
Und der Müller: »Hallo, Danny«, und legt ihm den eisernen Griff auf die Schulter.
Danny: »Oh, nein, der Müller.«
Müller lockert seinen Griff und sieht Dannys Augen. Sieht in ihn hinein. Das hätte er nicht tun sollen. Denn im Müllerkopf kämpft sofort der Eid auf Gesetz und Rechtsordnung mit dem Begriff »Bagatelldelikt«. Das Wort »Kleindelinquent« mit dem Wort »armer Kerl«. Und er sieht, ist ja noch kein Schaden entstanden. Und der arme Kerl Danny hat fast keine Zähne mehr und eitrige Abszesse unter den Kleidern, Augen tief in den Höhlen und fettige Haare und, weiss der Teufel, woher, fabrikneue Kleider, wo noch das Preisschild dran, aber kaum mehr Fleisch auf den Knochen. Ein Gerippe von Mensch.
Müller, willst du den wirklich einfahren lassen? Das fragt der Müller den Müller. Und der Müller sagt zum Müller: Nein.
Gut, ist müde. Zu lange schon unterwegs, seit …? Er weiss es nicht mehr. Und was sollen die Kollegen mit Danny in der Zelle. Am Morgen, in ein paar Stunden, schreit er, spätestens, zittert und schreit und kotzt.
Der Müller also nicht buchstabengetreu und Paragrafen und so.
»Ach, Danny«, sagt der Müller, »was soll ich bloss mit dir machen?« Aber ist mehr ein Ausruf als eine Frage.
Müller lässt ihn laufen. Danny dankt und hinkt davon, in die Molkenstrasse. Was für ein
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