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Mueller und die Tote in der Limmat

Mueller und die Tote in der Limmat

Titel: Mueller und die Tote in der Limmat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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wollte, weg von Johnny, hin zu «Diamond Music», «stell dir vor, äh, Entschuldigung, stellen Sie sich vor, so ein Schwachsinnsname, Sandra hat natürlich Nein gesagt, weil sie zufrieden ist mit meiner Arbeit, und sie hat Sebastian in die Wüste geschickt»
    «Wirklich?», fragt der Müller, perfide.
    Was Johnny zum Nachdenken zwingt.
    «Wenn Sie und dieser böse Sebastian Fuhrer so verfeindet sind, wie kommt es denn, dass Sebastian Fuhrer heute Abend den Spitfire -Minibus nach dem Konzert in Biel nach Delémont fahren wird?»
    «Wollen Sie Zucker in den Kaffee?», fragt Johnny.
    «Ich habe eine Frage gestellt.»
    «Das Problem in Zürich ist: Die Stadt ist zu klein, alle triffst du immer wieder, auch die, die besser verschwunden bleiben würden. Und wenn dir jemand ständig über den Weg läuft, musst du dich irgendwie arrangieren. Du kannst ja nicht weg», sagt Johnny. «Vielleicht beantwortet das Ihre Frage. Ausserdem habe ich nicht ständig Lust, diesen dämlichen Minibus zu fahren. Ich kenne jede mögliche Strecke in diesem Land in- und auswendig.»
    Hat schon was, denkt der Müller, der auch nicht gerne Auto fährt.
    «Nur die Guten sterben jung», sagt Johnny unvermittelt. Recht ziemlich viel Pathos. Der Müller weiss nicht genau, wen Johnny meint. Vielleicht auch ein wenig Johnny selbst, denn so alt ist er jetzt auch wieder noch nicht, nämlich 34, sieht aus wie, das sagte ich schon. Aber das Stichwort «sterben» passt.
    Und der Müller: «Wer hat Sandra getötet?»
    Und Johnny: «Ich weiss es nicht.»
    Und Müller: «Sebastian?»
    Und Johnny: «Der ist viel zu feige dazu.»
    Und der Müller macht: «Hm.» Markiert Nachdenklichkeit und Zweifel.
    Und Johnny schweigt. Und sie trinken den Kaffee aus.
    Der Müller: «Wie hoch war der von Sandra generierte Umsatz?» Wort kennt er vom Wirtschaftsteil.
    Und Johnny: «Letztes Jahr achtzehntausend über mich, also dreitausendsechshundert für mich.»
    Und der Müller: «Nicht viel.»
    Und Johnny singt wieder die bekannte Melodie: «Kleines Land, kleiner Markt, kleine –»
    Unterbricht der Müller gleich: «Ich weiss.»
    Und Johnny: «… war ein Zwischenjahr ohne neue CD , sonst macht Sandra natürlich mehr, so vierzig, fünfzig plus, brutto.»
    Und der Müller: «Auch nicht so viel.»
    Und Johnny, als wollten sich seine Tätowierungen selbständig abschälen: «Willst du mich wirklich demoralisieren?»
    Und den Müller stört nicht die zweite Person Singular, sagt nur: «Nein.»
    Schweigen sie beide sich ein bisschen an. «Un ange passe», ein Engel schwebt durch den Raum, sagt man in diesem Moment auf Französisch. Aber es war nicht ein Engel, denn die Fensterscheibe von Johnny Maurers Küche ging plötzlich zu Bruch, zeitgleich ein lauter Knall, und von der Wand hinter Johnny-Hansueli rieselt der Putz.
    «Runter!», ruft der Müller, greift in die Achselhöhle (Automatismus), aber da ist nichts von Halfter, und reisst Johnny gleichzeitig vom Stuhl auf den Boden.
    Zweiter Knall, noch mehr Putz rieselt, wie weisse Wolke. In der Wand steckt zitternd noch das Projektil.
    «Bist du okay?», will der Müller wissen.
    «Ja», sagt Johnny. Jetzt ist ihr Du schon natürlich, aber man täusche sich nicht, weil Vorsicht: trotz gemeinsamem Dem-Tod-Entronnen-Sein darf man sich nicht verbrüdern, sich nicht verbünden. Denn die Schuldfrage bleibt ungelöst. Doch die Ungewissheit scheint sich zu lichten, immerhin:
    «Dieses Schwein», so Johnny zwischen den Zähnen hindurch.
    «Wer?», ganz kurz der Müller. Und: «bleib unten!» Weil Johnny aufstehen will.
    Rockmanager Johnny Maurer mault herum. Sagt nichts. Will schweigen. Hält mit sich selbst zusammen wie Pech und Schwefel. Da staunt man, nicht? Ich meine, er müsste es dem Müller doch sagen, damit der Müller die Gegenmassnahmen auffächern kann wie einen Schutzschild.
    Aber Johnny-Hansueli Maurer spricht kein Sterbenswörtchen. Mund versiegelt. Da brennt in uns doch die Ungeduld ab: Sag’s! Sag’s! Keine Antwort kommt, er hört uns nicht, weil wir ausserhalb des Buches sind. Aber innerhalb ist der Müller Beni, und natürlich hochgewieft in Psychologie und Strategie, was längerfristig wirkt, und kennt Taktik, was jetzt sofort zu tun ist. Denkt ergebnisorientiert.
    Und der Müller schielt, ob irgendwo ein Telefonbuch, weil jetzt vielleicht doch nötig → Beschleunigung der Ereignisse. Und zwar: Telefonbuch auf Hinterkopf. Rums. Gibt keine Spuren, also nicht einklagbar. Aber wirksam, gibt Information. Jetzt beide auf

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