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Mueller und die Tote in der Limmat

Mueller und die Tote in der Limmat

Titel: Mueller und die Tote in der Limmat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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Boden in Küche an Ankerstrasse. Putz und Farbe segeln in feinem Sprühnebel zu achteckigen dunkelroten Bodenkacheln hinab. Feine weisse Schicht darauf und auf Johnny und den Müller gepudert. Beide in Deckung, weil Schüsse. Also nicht komfortable Situation, um ein Telefonbuch zu suchen. Eine Methode, ich sagte es, im Grunde geächtet. Aber aussergewöhnliche Situation bedeutet: aussergewöhnliche Mittel nötig.
    Müller formt mit Daumen und Zeigefinger eine Zange wie eine Krabbe, fokussiert auf die bleiche, haarige Wade von Johnny (Hose etwas heraufgerutscht). Und kneift zu. Bisschen wehtun muss sein.
    Johnny: «Aua! Was zum …!»
    Aber sieht die bösen Augen von Müller Benedikt, zu gemeinen, flackernden Schlitzen verengt, die soeben noch fast freundlich blickten. Das war, hehe, ein Polizeitrick, sag ich dir. Da legst du manchen rein damit. Er fasst Vertrauen, und eh er sich’s versieht, stehst du reingefallen vor Gericht.
    Johnny wird also fast eine Plaudertasche. Aber erst fast.
    Und der Müller deshalb: schaut noch böser. Glutaugen. Dunkel, feurig, abgrundtief, brutal, das glaubst du nicht, weil du den Müller jetzt ja ein bisschen kennst. Verwandelt sich fast von Doktor Jekyll in Mister Hyde. Aber keine Ursache für Unruhe: auch das eine pure professionelle Polizeistrategie. Wir sind ausgebildet.
    Und fast sind schon Löcher mit dem bösartigen Schauen in Johnnys rot-weisses Karohemd gebrannt. Beinahe fallen die Haare aus Johnnys geschwungener Locke. Fast schon tritt ein Löscheffekt bei Johnnys Tätowierungen mit Seemannsmotiven ein. Weil dem Müller die Augen so böse ihn durchlasern.
    Darum kapituliert Johnny.
    Sagt einfach eine Silbe: «Mark.»
    Ein Name, merkt der Müller. Aber kein unhäufiger.
    Darum die Nachfrage, forschend und bestimmt: «Mark wer?»
    Johnny nimmt jetzt wirklich metaphorisch die Hände hoch: «Huber.»
    Da erfährt Müller einiges Wissenswertes, was sich für den Verlauf der Geschichte und der Ermittlungen vielleicht zur Wesentlichkeit mausern könnte oder sogar wird.
    Vorsicht, Rechtsmittelbelehrung: Ist Verdacht, blosser Verdacht, mutmasslicher Täter, angebliche Identifikation durch einen einzigen Zeugen. Das reicht nicht. Muss natürlich abgeklärt, bewiesen, vom Gericht beurteilt werden. Das dürfen wir nicht vergessen. Erst nach Urteil ist Schuld erwiesen. Nicht vorschnell vorverurteilen.
    Unten auf Strasse jetzt sehr grosse Stille, wie immer nach Schuss und Knall. Wenn der Schuss verhallt ist, quillt immer explosionsartig die Stille auf, gewinnt an Volumen und an Kubikmetern und beschlagnahmt den ganzen Raum. So still wird die plötzliche Stille, dass man das Gras wachsen, aber weit und breit kein Gras in der Ankerstrasse, weil wegsames Gelände, das heisst Zentrum von der Stadt, überall Gebäude und Häuser und Bauten. Und plötzlich kreischen unten auf der Strasse vier, nehme ich aufgrund des es begleitenden Motorengeräuschs an, Reifen. Ein Auto saust und braust davon, also so richtig Drive-by-Shooting wie im Ghetto-Rap- oder New-Jersey-Italiener-Spielfilm, schneidet einem Radfahrer den Weg ab, was natürlich Müller und Johnny nicht sehen, weil noch immer aus Vorsicht am Boden inmitten von abgeplatztem Putz. Und rappeln sich endlich auf, Blick hoch, Putz oben an der Wand ist abgeplatzt und ein Loch mitten im Metallica -Poster.
    «Scheisse, war Vintage!», ruft Johnny Maurer.
    Alles fast bei Decke abgeplatzt. Demnach: Schüsse kamen aus dem Erdgeschoss, also von der Strasse unten. Wie das Motorengeräusch und Reifenkreischen auch andeuteten. Natürlich illusorisch, aus diesem Winkel jemanden treffen zu wollen, Instant-Ballistik-Diagnose Müller, also lediglich Warnung. Aber schon ernst genug: Ich meine, wenn Sie jemanden vor irgendetwas warnen wollen, schiessen Sie dann in der Gegend herum? Sicher nicht, ich weiss schon.
    Jemand warnt per Schuss, was sagt uns das? Jemand weiss zu viel. Weiss auch der Müller, dass das das bedeutet. Und er weiss auch, wer zu viel weiss, nämlich Johnny Maurer, weil im Moment ausser dem Müller nur Johnny in der Küche an der Ankerstrasse Kaffee trank. Kinderleicht für Kriminalprofi.
    Und der Müller natürlich sofort grünes Telefönchen: «117» und hineingesagt: «Grossfahndung auslösen. Ankerstrasse soundso Schussvorfall im zweiten Stock. Bin vor Ort.» Und da wundert sich die Welt, sobald die Polizei eine Grossfahndung ausruft. Weil da läuft die ganze Polizeimaschine an, mit Polizei Zürich und Polizei Schweiz und Interpol Lyon und

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