Mueller und die Tote in der Limmat
Geheimdienste, wo ich nichts drüber sagen darf, aber haben wir natürlich auch, und Grenzwache und Zivilbeamte. Alles schwärmt aus. Alles. Weil sie wissen: Wo der Müller ist, drängt die Realität. Spaltpilz der Wirklichkeit. Das Verbrechen fährt seine Krallen aus. Und das geht natürlich nicht. Knopfdrücken – und die Fahndung rollt sofort an. Alles ist schon fixfertig vorbereitet bei der Polizei. Plan in der obersten Schublade in Polizeiwache Zürich, in Polizeiwache Schweiz, in Interpol Lyon dritter Aktenschrank rechts, in Geheimdiensten, darf ich nicht sagen, wo, in Grenzwache zweitunterste Schublade, und Zivilbeamte können auswendig hersagen, ich schwör’s dir. Und da rollt gewaltiges Zahnräderwerk an, wo in sich einander hineinverzahnt greift. Da geht die Post ab. Verbrechen, hüte dich. Du kannst nicht einfach so bei uns in der Stadt Zürich in der Gegend herumschiessen. Das sind nicht die Strassen von San Francisco.
Wir schalten jetzt sofort von der Ankerstrasse ins Universitätsviertel an die Rämistrasse. In der Zwischenzeit ereignet sich da etwas. Universitätsspital, Untergeschoss, Sie erinnern sich, sonst sag ich’s nochmals: weisse, saubere Wände, bis Schulterhöhe mit weisser Ölfarbe gestrichen, damit leicht abwaschbar. Weil, na ja, es ist nicht immer schön, was da passiert.
Da geht im Reich von Dr. Brenda Marquardt, der Pathologin, Folgendes vor sich: Bucher Manfred, Polizeimann, tapst für sein stattliches Gewicht von 110 Kilogramm erstaunlich behände die Treppe in eben dieses hygienische Reich hinunter. Und Dr. Brenda Marquardt ist da, in der ganzen Majestät ihrer weiblichen Erscheinung, will heissen, ihr ganzer Geist und Intelligenz und Scharfsinn sind anwesend, der selbst seltenste Krankheiten fast sofort entlarvt, weil fotografisches Gedächtnis und Supererfahrung, schneidet von Berlin bis Bordeaux, von Amsterdam bis Chur höchst knifflige Leichen auf, um dem leider toten Fleisch die fatalen und letalen letzten Geheimnisse zu entlocken. Das gelingt ihr, wie gesagt, immer. Statistische Fehlerquote strebt von der Minusseite her gegen null. Algebraische Präzision. Ja, Naturwissenschaft ist schon exakt und viel genauer als zum Beispiel Wirtschaftswissenschaften, die einen Crash am anderen produzieren. Mal ehrlich, die Wirtschaftskrisen finden ja im Zweimonatstakt statt. Da fragst du dich schon, wie’s herauskäme, wenn Dr. Brenda Marquardt auch so schwachmatisch arbeiten würde. Da fände die Polizei den Mörder ja nie. Aber sie wird. Und deshalb ist Bucher Manfred die Treppe ins Untergeschoss hinuntergetapst, und mit seinen fleischigen Händen drückt er auf die Klingel, weil Dr. Marquardts Reich immer sicher abgeschlossen ist, falls zum Beispiel ein fanatischer Gaddafi-Anhänger die Beweisstücke vernichten wollte aus dem «Leichenschauhaus», wie es nun wirklich nur im US -amerikanischen Film heisst und sicher nicht bei uns in der schönen Stadt Zürich, wo «Pathologisches Institut von der Universität Zürich» das richtige Wort ist. Das tönt auch wahrer. Und auf des Bucher Manfreds Klingeln ertönen im Inneren der Milchglasscheibe leichte Schritte von bequemer weiblicher Fussbekleidung, und die Türe geht auf, blendet fast, als sie aufgeht, denn wer steht da vor dem Bucher Manfred? Klar, Dr. Brenda Marquardt hat schon auf ihn gewartet, weil die Autopsie von der toten Sandra Molinari in der Limmat fertig abgeschlossen ist. Das wollen wir jetzt nicht im Bild zeigen. Da kann es einem etwas komisch werden und flau im Magen, und riechen tut es auch nicht gut. Leider. Obwohl es ja ein menschlicher Körper ist, den Dr. Brenda Marquardt fachfraulich zerlegt und aufgeschnitten und sortiert und interpretiert und untersucht hat.
Bucher Manfred: «Grüezi, Frau Marquardt.»
Dr. Brenda Marquardt: «Grüezi, Herr Bucher. Schön, dass Sie da sind.»
Man muss wissen, dass es manchmal schon ein einsames Geschäft ist, welchem Dr. Brenda Marquardt da unten in ihrem Reich im Untergeschoss des Pathologischen Instituts frönt. Weil es ist ein bisschen symbolisch, dass das, was sie zu tun hat, im Untergeschoss geschieht.
Fast philosophisch wird es einem da zumute, weil der Bucher Manfred und die anderen Polizeibeamten quasi in den Keller hinwegtauchen müssen, weg von der Welt der Lebenden in den Lokus hinunter, wo der Fährmann die Kadaver mit seinem Boot hinübersetzt. Ach, du vergängliche Existenz, die du endest auf einer Chromstahlwanne bei grellem künstlichem Licht. So etwa rumort es
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