Mueller und die Tote in der Limmat
Sommer hältst du es nur am Wasser aus. So vergeht sein Nachmittag. Und am Abend mit Franz Schubert ins Kino, ist klimatisiert. Film nicht der Rede wert. Aber nett, das zusammen zu tun.
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Und während die beiden im Kino sitzen, geschieht anderswo eine viel spektakulärere Handlung: Am Seeufer in Biel/Bienne spielt die Band Spitfire vor tausendfünfhundert Zuschauern ein gutes Freiluft-Konzert.
Mark Huber schafft unter den kritischen Blicken von Oberarmmonster Goran Krstic, Nerd Stefan Meier, «Trujillo» Hanspeter «Hausi» Sollberger und Bassist René Gabathuler einen anständigen Auftritt, verpatzt die Chose nicht einmal bei der auch im Export nordwärts erfolgreichen musikalischen Sprengladung «When Death Cometh To Zurich-Leimbach». Zugaben erforderlich, eine, zwei, ja drei – und noch ein Zweierblock davon. Sogar Songs von Sandra Molinari, die Goran sonst nie auf die Setlist hievt. Bandgefühl hinterher trotzdem unterirdisch. Weil Mark Huber sofort nach letzter Zugabe abzischt. Band räumt bis irgendwann die Ausrüstung in den Bus. Dann einsteigen. Heute noch weiter nach Delémont. Dort morgen das nächste Konzert. Freitag dann in Basel. Samstag in St. Gallen. Sebastian Fuhrer fährt den Tourbus.
Und im «Berner Seeländer» (inkl. frz. Übers. «Feuille de Bienne et de son Lac» Auflage 81.002 Exemplare, beglaubigt) steht am nächsten Tag auf Papier:
Spitfire auf der Bieler Seebühne:
AUS DEM GRUSELKABINETT DER ZIVILISATION
«‹Den Feiglingen aber und den Ungläubigen und Befleckten und Mördern und Unzüchtigen und Zauberern und Götzendienern und allen Lügnern ist ihr Teil in dem See, der von Feuer und Schwefel brennt, und dies ist der zweite Tod› (Apoc. 21, 8). Es scheint, als versuche die seit achtzehn Jahren existierende Zürcher Band Spitfire die Johannes-Apokalypse nicht nur zu vertonen, sondern auch zu verkörpern. Mark Huber & Co. öffnen so ziemlich jede Schreckensschublade des Rock ’n’ Roll: Satanismus, Androgynität, Alchemie, Sex, Gewalt, Tod, Weltuntergangssehnsucht. Harter, ja härtester, schwärzester Rock, als wäre die selbsternannte Kulturhauptstadt der Schweiz ein flammendes Inferno, ein Sündenpfuhl ohne Chance auf Erlösung, ein ‹huis-clos› rasenden Verbrechens, über dem eine schwarze Sonne hämisch von einem schwarzen Himmel voller schwarzer Regenbogen grinst. Eine Ästhetik wie aus ‹Silence of The Lambs›, ein Gruselkabinett der Zivilisation, alles frisch angeliefert vom bleichen Leichenbeschauer aus dem Tal des Todes. Manche mögen darüber lachen, noch mehr aber lieben dieses rasende Quintett.»
Aber auch hier noch nicht Schluss, insgesamt viertausendeinhundertsechzig Zeichen von Jean-Pierre Schori, den Sie nicht kennen können, weil er wie alles in diesem Buch erstunken und erlogen ist. Durchaus bedenkenswert die Fortsetzung:
«Eine Poetologie des Rauen und Rohen, des Unfertigen und Unbändigen, des Geschliffenen und der Ironie, der Rhythmuswechsel und Bruchstücke, des Spasses an der Freude, der Skizze und des überraschenden Einfalls. Pure Unvernunft. Dennoch verliert das Publikum nie den Faden, denn der Aufbau dieses Konzerts ist zwar nicht vorhersehbar, aber effizient und logisch. Eine kreative Hymne auf die Unterhaltung – und gleichzeitig auf die Kunst. Spitfire sprengen Grenzen, ohne auf Teufel komm raus jede Grenze sprengen zu wollen. In ihrem Ungestüm bewahren sie jederzeit Haltung. Sie sind nicht ‹dirty› um jeden Preis.»
So gesehen hat er natürlich schon recht. Spitfire könnten metaphorisch sein.
Und jetzt passiert uns heute Mittwochabend etwas, was schon einigen Aufwand für die Polizei bedeutet und das Leben noch viel brutaler erscheinen lässt. Oder ist es schon, ja es ist schon:
Donnerstag
Die ersten Stunden des Donnerstags. Jetzt fällt etwas Tragisches vor mit einer ganzen Rockband auf Tournee im Tourneebus.
Und dieses traurige Lied geht so: Spitfire , wir wissen: frühere Band von Sandra, seither viele Platten, die letzten mit Sänger Mark Huber und jetzt auch etwas Elektronik vom Keyboardsampler auf der neuen CD «Car Crash Spells». Auf Tournee und nach dem Konzert in Biel waren sie also gleich weitergefahren → Delémont durch die Juraberge. Dort ein Auftritt am nächsten Tag. Komisch, dass der Tourneebus die kleinen gewundenen Strassen, weil der halb fertige Autobahnweg Transjurane viel einfacher und ohne diese topografische Gefährlichkeit. Vielleicht wollten sie den Kopf lüften nach dem harten Rocken, den Puls
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