München - 2030
defekten Rollatoren empfingen.
»Wann kann ich ihn denn wieder holen«, fragte die Kundin mit besorgter Miene. »Ich brauch ihn doch so dringend, damit ich mit meinem Schnuffi Gassi gehen kann.«
»Ich werde ihn mir bis Mittag ansehen«, murmelte Victor das Gefährt betrachtend.
»Vielen Dank«, hauchte die Alte erleichtert, und es war ihrem Gesichtsausdruck zu entnehmen, dass ihr in Anbetracht der kurzen Dauer der Reparatur ein Stein vom Herzen gefallen war. Victor händigte ihr noch einen Ersatzrollator aus und kurz darauf war die Alte mit ihrem Hund wieder verschwunden.
»So viel ich weiß ist sie Witwe«, hörte Victor eine Stimme hinter sich. Es war Arno, der Vorarbeiter. »Du scheinst bei den Damen gut anzukommen«, gab Arno scherzend von sich. »Ich glaube, ich hab sie schon das zweite Mal hier gesehen seitdem du da bist.«
Victor zuckte mit den Schultern. Darüber hatte er sich bisher noch keinen Gedanken gemacht. Arno wünschte ihm noch einen schönen Tag und ging dann in die Hausmeisterwerkstatt.
In der Zwischenzeit waren Victors Gehilfen eingetroffen und hatten sich an ihre Arbeitsplätze begeben. Ben war ein fünfundachtzigjähriger Greis, der schon ein wenig senil wirkte. Aber für einfachere Arbeiten, wie zum Einfetten schwergängiger Räder oder kleineren Lackausbesserungen, war er noch gut zu gebrauchen. Ben war schwerhörig und trug ein Hörgerät. Er war von einem fortwährenden Pfeifton umgeben und man musste ihm immer wieder Zeichen machen, damit er es leiser stellte.
Didi war vier Jahre jünger als Ben, hatte aber einmal einen Schlaganfall gehabt. Er erledigte nun die Arbeiten größtenteils einhändig, war aber darin geübt. Und beim Flicken von porösen Schläuchen machte ihm keiner etwas vor.
»Hab’s schon mitbekommen, dass die Alte mit dem Hund wieder da war«, sagte Didi. »Wenn du sie nicht willst?«, fügte er hinzu und sah mit fragendem Blick zu Victor.
Victor lächelte.
»Ich will sie nicht – du kannst gerne dein Glück bei ihr versuchen«, gab er zur Antwort.
Didis Augen begannen zu leuchten und sein rechter Mundwinkel verzog sich zu einem Lächeln nach oben.
Es sah komisch aus, wenn er lachte – bedingt durch eine halbseitige Gesichtslähmung blieb die linke Seite untätig.
»So schlecht ist die nicht«, murmelte er lüstern. Didi war seinerzeit ein Schürzenjäger gewesen und auch jetzt im Alter und trotz der Behinderung, hielt es ihn nicht davon ab, noch immer den Frauen hinterherzusteigen.
Auch Ben hatte bei der Sache aufgehört.
»Mann, die Weiber«, stöhnte er, sich an alte Zeiten erinnernd, während er ein quietschendes Rad mit Öl versorgte.
Frauen waren das Hauptgesprächsthema in der Werkstatt. Und immer wieder standen Ben und Didi vor einem Playboy-Kalender von 2013, den Victor über seinen Arbeitsplatz aufgehängt hatte und betrachteten sich die Bilder.
Am nächsten Tag, vormittags, kam Charly in die Rollatorwerkstatt. Er schob einen seltsam anmutenden Rollator vor sich her, bei dem Victor eine Wartung vornehmen sollte. Es war ein sehr eigentümlicher Rollator an dem seitlich vorne eine Halterung mit einer E-Gitarre angebracht war. Gegenüber der Halterung befand sich eine Ablage mit einem Hut. Der Rollator selbst war im Custom-Look gehalten und mit zahlreichen Spiralen verziert. Die blechernen Abdeckungen über den Reifen waren der Form eines Kussmundes nachempfunden und von einem geübten Airbrush-Designer lackiert.
»Was ist das für ein seltsames Ding?«, fragte Victor erstaunt, als er das fremdartige Gefährt betrachtete.
Charly grinste übers ganze Gesicht und wirkte total aufgedreht.
»Ein Rollator, sieht man doch«, sagte er. »Aber jetzt rate mal, wem er gehört?«
Victor sah sich das Ding an und hob ratlos die Schultern.
»Er gehört Keith Richards«, platzte Charly heraus.
»Sie sind da und geben ein Konzert. Und wir werden dabei sein«, rief er nun vollkommen aus den Häuschen geraten.
»Wer ist da?«, fragte Victor, der krampfhaft nachdachte, wo er den Namen Keith Richards schon mal gehört hatte.
»DIE ROLLING STONES!«, jubelte Charly.
Jetzt sah Victor, dass Charly ein paar
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