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Muenchen Blues

Titel: Muenchen Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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Geschichte nicht abgekauft und war davon ausgegangen, dass ich mehr schlecht als recht versucht hatte, mich aufzuhängen. Das Leben war manchmal saukomisch. Wo ich mich doch an dieses scheißschöne Leben, wie es mir das Peterchen auf dem Lampion zugerufen hatte, mit aller Macht geklammert hatte.
    – Sie irren, Herr Doktor. Aber gestritten habe ich heute schon genug. Was machen wir jetzt?
    – Sie legen sich hier auf der Station in ein frisch bereitetes Bett. Und morgen reden wir noch mal drüber.
    Genau genommen war dieser Vorschlag ein Volltreffer. Besser konnte ich es im Moment gar nicht erwischen.
    – Nur unter Protest, ist das klar?
    Der junge Weißkittel nickte. Dann führte er mich zu meiner Schlafstelle. Am Komfort gab es nichts auszusetzen, wenn man den Fond meines kalten Wagens in Betracht zog.
    – Ein leichtes Schmerzmittel?, fragte er.
    Ich nickte und fügte mich. Man soll nicht bedingungslos den Helden spielen. Nur der Indianer kennt keinen Schmerz, der weiße Mann wohl. Als er mir die Spritze in die Armbeuge jagte, merkte ich schon, dass das Ding mindestens ein Kombipräparat war, dessen wesentliche Bestandteile mich schlagartig sedierten. Auch das war für einen, der wie ich mit dem Buddhismus sympathisierte, ein wirklich schöner Zustand. Federleicht, fast willenlos glitt man auf flüchtigen, genau genommen immer unerheblicheren Gedanken dahin. Flügelein hatten sie und süße Popöchen, wie sie so dahinschwebten, und alle waren sie sehr sympathisch, diese liebreizenden Geschöpfe meiner Innenwelt.

40
    Am nächsten Morgen Punkt sechs Uhr kam Schwester Gabi, um meine Temperatur zu nehmen. Ich sagte ihr, dass ich schon so gut wie weg sei. Egal, meinte sie, jetzt sei ich ja noch hier und könne daher messen. Für sie! Dabei machte sie mit ihren Patschhändchen bitte! bitte! Eine gut ausgebildete Kraft wie sie schaffte es in Minuten, auch einen erwachsenen Gewalttäter wieder zum folgsamen Knäblein zu machen. Sie deutete noch mit dem Finger in ihren halb geöffneten Mund. Dieser Hinweis war wichtig, denn sonst hätte ich das Thermometer hinten unten reingesteckt. Das war alte Schule, so sind wir groß geworden.
    Ich stemmte mich aus dem Bett und stellte mich vor den Spiegel. Waschbären sind possierliche Gesellen mit ihrem hellen Fell und der schwarzen Gesichtsmaske. In Blaurot sah das aber ziemlich beschissen aus. Bei meinen heftigen Hämatomen erwies es sich zumindest optisch als vorteilhaft, dass mein Hals verbunden war.
    Dann kam Schwester Susi und wollte mein Bett machen. Dass ich so gut wie weg sei, war auch ihr egal, jetzt sei ich ja noch hier und deshalb mache sie gerne mein Bett. Schließlich brachte Schwester Moni das Frühstück. Einen Espresso und ein Hörnchen nachzubestellen, hatte keinen Sinn. Im Keller der Klinik war trotz jahrzehntelangen aufopferungsvollen Verzehrs noch tonnenweise Aprikosenmarmelade gebunkert, und die musste ja mal allegemacht werden. Also drückte ich rein, was mir hingestellt worden war, und begann auszuchecken.
    Mit wehenden Kittelschößen kam Professor Grollmannangelaufen. Sein Atem hatte noch mehr Restkoffein als die ganze Tasse Muckefuck von vorhin.
    – Sie bleiben!
    – Warum?
    – Sie haben sich gestern Abend selbst eingeliefert und sind nach wie vor suizidgefährdet. Wir sind gesetzlich verpflichtet und befugt, Sie in Verwahrung zu halten.
    – Irrtum! Ich bin in die Chirurgie, um meine Wunden versorgen zu lassen.
    – Die Sie sich durch den Versuch, sich selbst zu erhängen, beigebracht haben.
    – Mit einem Stahlseil? Der Selbstmörder hat da gern ein anschmiegsameres Material, das ihm nicht auch noch die Kehle durchschneidet. Man hat versucht, mich umzubringen. Wahrscheinlich komme ich jetzt wegen Verfolgungswahn in die Klapse, oder wie?
    Ich fasste ihn am Arm und führte ihn hinaus auf den Balkon.
    – Ich nenne Ihnen die Gründe, warum das Leben und ich nicht voneinander lassen wollen. Ich muss Emma rumkriegen, meinem Freund Julius aus der Patsche helfen, einen Mörder stellen, die Kunden in meinem Laden bedienen. Ich liebe gutes Essen, trinke hauptsächlich zum Vergnügen, schlafe nachts wie ein Bär und brauche deswegen jetzt endlich einen Kaffee, wie ihn Schwester Gabi, Susi oder Moni für Sie zubereitet hat. Noch stärker ist mein Überlebenswille ausgebildet. Vor Hindernissen fange ich nicht zu weinen an, sondern hau sie weg.
    Wir schauten in den Hof hinunter.
    – Ich springe nicht. Eher werfe ich jemanden hinunter.
    Grollmann wich

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