München Manhattan #1
springen.
Versuchs einfach nochmal. Was hast du schon zu verlieren?
Sie wählt noch mal seine Nummer. „Steve, bitte entschuldige, aber mir fällt gerade ein, dass ich übermorgen in Dallas bin. Bei der Gelegenheit könnte ich mir deine Ranch ansehen und dann weiß ich ganz genau was du suchst.“
„Ich dachte das wüsstest du schon.“ Aber Steves Stimme klingt nicht mehr unterkühlt sondern belustigt.
„Also Steve, soll ich mir deine Ranch ansehen, oder nicht?“
Den Kommentar von ihm übergeht sie einfach. Was soll sie dazu auch sagen.
„Klar, Mittwoch 18 Uhr. Lass dir die Adresse von meiner Sekretärin geben. Bis dann Kristin, bin schon gespannt auf deine Vorschläge.“ Jetzt lacht Steve sogar.
„Danke Steve, du wirst es nicht bereuen.“ Den Spruch hätte sie sich jetzt auch sparen können. Vor allem hat sie ja noch immer keinen Plan. Sie weiß nur, dass sie übermorgen in Dallas sein wird.
***
SCHLECHTE PAPIERE
MÜNCHEN. MONTAG 21 UHR
Susanna sitzt neben ihrem Mann auf dem Sofa. Sie sieht in das prasselnde Kaminfeuer. Aus dem Garten glitzert die immer noch nicht abgehängte Weihnachtsbeleuchtung verwunschen im Schnee.
„Ein Glas Wein?“, fragt Robert.
Susanna nickt und ihr Mann gießt ihr ein Glas Rotwein ein.
Wenn es doch einfach ein ganz normaler Montagabend wäre. So saßen wir seit Ewigkeiten nicht mehr hier. Wie schön das ist.
Und dann beginnt Robert zu sprechen. „Mein Engel, ich hoffe du kannst mir irgendwann verzeihen. Ich habe wirklich Mist gebaut. Aber ich habe es nur gut gemeint. Ich dachte, ich hätte alles im Griff. Ach, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll.“
„Robert, ich bin doch hier. Anna geht es gut. Tom schläft. Wir sind allein. Wir sind zusammen. Wir sind doch Robert und Susanna. Wir schaffen das.“
Wo kamen denn auf einmal diese Worte her? Susanna kommt sich vor wie eine Schwindlerin. Eigentlich muss sie Robert ja auch einiges beichten. Und jetzt tut sie so, als sei aus ihrer Sicht alles in Ordnung.
„Ach, Susanna. Ich liebe dich so. Ich liebe euch alle so. Es ist nur – immer dieses Gefühl zu haben, dass wir gerade so über die Runden kommen. Die ganzen Schulden auf dem Haus. Unser ständig überzogenes Konto. Ich wollte einfach nur, dass wir etwas mehr Geld haben …“ Robert stockt.
Susanna ahnt Schreckliches. Wenn sie jetzt noch weniger Geld hätten? Was, wenn das Geld von ihrem Ersparten weg ist? Sie braucht einen Teil davon, um … Sie fühlt sich als hätte ihr jemand in den Bauch geboxt. Panisch schweifen ihre Gedanken zu den Kreditkartenabrechnungen, die sie in ihre Unterwäsche-Schublade gestopft hat.
„Was meinst du Robert? Was hast du getan? Jetzt sag es mir endlich!“, fordert sie.
„Vor einigen Monaten – vor der Krise – da war das noch überhaupt kein Ding. Da haben doch alle über Wahnsinns-Renditen gesprochen. Irgendwie ist doch allen das Bewusstsein abhanden gekommen, dass solche Renditen einfach mit großen Risiken verbunden sind. Und ganz ehrlich, mir auch. Ja, und nun musste ich feststellen, dass es doch keine so guten Papiere …“
„Papiere? Wovon redest du? Dieser Hedgefond wird uns schon nicht umbringen. Wir haben doch das Haus, dein Einkommen und den Ausbildungsfond der Kinder.“
Robert schweigt und schaut ins Kaminfeuer. Die steile Sorgenfalte auf seiner Stirn sieht in dem Schatten fast schwarz aus. Sehr bedrohlich. Er räuspert sich und dreht sich zu Susanna.
„Es ist nichts mehr da. Es ist alles weg. Unser gesamtes Sparguthaben. Auch das Geld aus dem Ausbildungsfond für die Kinder. Und unser Haus gehört mehr denn je der Bank. Ich musste die Hypothek erhöhen lassen.“
Susanna sieht ihn entgeistert an. Ihr fehlen die Worte. Aus Roberts Blick sprechen Furcht und Verzweiflung. „Susanna, bitte. Sag‘ doch was …“ Seine Stimme verliert sich.
***
KALTER RAUCH
MANHATTAN. MONTAG 19 UHR
Der Schlüssel dreht sich im Schloss. Die Eingangstür öffnet sich knarrend. Ein rosa Blitz schießt an Kristin vorbei.
„Papa, Papa, Papa!!! Endlich bist du wieder da!“ Elisa – in voller Ballettmontur – wirft sich ihrem Vater in die Arme. Kristin klopft das Herz bis zum Hals. Da ist er nun. Peter. Ihr Mann, ihre große Liebe. Und der Mann, der ihr das Herz gebrochen hat. Ihre Hände fühlen sich schwitzig an. Ihr Mund ist trocken. Wie soll sie ihm jetzt gegenübertreten? Soll sie sich ihm auch in die Arme werfen? Ein Teil von ihr will das. Ein anderer Teil lässt sie in ihrer Bewegung erstarren.
Weitere Kostenlose Bücher