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Münsterland ist abgebrannt

Münsterland ist abgebrannt

Titel: Münsterland ist abgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Kehrer
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vorgestellt. Ich bin die Nachbarin Ihrer Mutter. Die Mia, ich meine, Ihre Schwester hat mich gebeten, Hilde ein bisschen im Auge zu behalten. Und weil ich mir inzwischen Sorgen mache und die Mia nicht erreichen kann, dachte ich, ich rufe Sie an. Mia hat mir Ihre Nummer gegeben und gesagt, Sie seien Polizist. Ich hoffe, ich habe nichts falsch gemacht, oder?»
    «Natürlich nicht, das ist in Ordnung.» Bastian dachte angestrengt nach. Dass Hilde in letzter Zeit vergesslicher geworden war, hatte auch er bemerkt. Einige Male hatte sie sich am Telefon nach Lisa erkundigt und vorgeschlagen, dass er seine Freundin beim nächsten Besuch mitbringen solle, dabei hatte er seiner Mutter mindestens genauso oft erzählt, dass es zwischen Lisa und ihm aus war. Aber er war nicht auf den Gedanken gekommen, dass man die Gedächtnisaussetzer ernst nehmen musste, sondern hatte sie für altersbedingte Schrulligkeit gehalten. «Und nun mal langsam: Was ist genau passiert?»
    «Hilde wollte einkaufen. Ich habe ihr noch angeboten, sie könne mir ihre Liste geben, dann würde ich die Dinge für sie besorgen, aber sie hat gesagt, sie möchte selbst gehen.»
    «Wann war das?»
    «Gegen vier.»
    «Und sie ist noch nicht zurückgekehrt?»
    «Genau. Ich habe sogar im Laden angerufen. Dort hat man mir gesagt, dass sie mit einer vollen Tragetasche weggegangen ist.»
    «Könnte sie nicht jemanden getroffen haben, der sie eingeladen hat? Eine Bekannte oder Freundin?»
    Frau Kemminger atmete geräuschvoll durch die Nase. «Sie scheinen Ihre Mutter nicht besonders gut zu kennen. Hildes Bekanntenkreis, wenn ich so sagen darf, beschränkt sich auf unsere Straße, im Ort gibt es sonst niemanden, zu dem sie gehen würde. Vielleicht noch zum Pfarrer, aber den besucht sie bestimmt nicht mehrere Stunden lang. Und hier in der Straße habe ich schon bei allen nachgefragt. Außerdem hat Hilde feste Gewohnheiten, sie isst immer um halb sieben zu Abend.»
    Bastian hörte den unterschwelligen Vorwurf, hielt es aber nicht für sinnvoll, darauf einzugehen. Stattdessen versprach er, in einer halben Stunde in Horstmar zu sein.
    |||||
    Auf der B 54 kannte er mittlerweile jeden Strauch, zumindest bis zur Abfahrt Altenberge, zum vierten Mal legte er jetzt die Strecke zurück, seitdem die Meldung vom Tod Mergentheims in der K-Wache eingegangen war. Diesmal verließ er die Schnellstraße allerdings in westlicher Richtung, fuhr über Laer nach Horstmar.
    Frau Kemminger wartete schon auf der Straße. Dem Aussehen nach zu urteilen, war sie noch um einiges älter als Hilde. Und ausgerechnet diese Frau war von Mia zur Aufpasserin ihrer Mutter ernannt worden, was hatte sich seine Schwester bloß dabei gedacht?
    Bastian bemühte sich um ein beruhigendes Lächeln. Während der Autofahrt hatte er vergeblich versucht, Mia ans Telefon zu bekommen. Vielleicht war sie im Kino oder im Theater. Gleich nach Frau Kemmingers Anruf hatte er einen diensthabenden Kollegen von der K-Wache gebeten, in den umliegenden Krankenhäusern anzurufen – inzwischen wusste er, dass Hilde nirgendwo eingeliefert worden war. Ob das eine gute oder eine schlechte Nachricht war, musste sich noch herausstellen.
    Frau Kemminger wirkte erleichtert. «Gut, dass Sie da sind.»
    Bastian fragte, ob sie eine Idee habe, wo er mit der Suche beginnen solle.
    «Nein.» Frau Kemminger schaute über seine Schulter. «Ich denke, sie hat sich verlaufen.»
    «Verlaufen? Ist das schon mal passiert?»
    Die alte Frau nickte. «Einmal hat Hilde unsere Straße nicht mehr gefunden. Aber sie ist ja nicht dumm. Sie hat jemanden um Hilfe gebeten, der dann mich angerufen hat.»
    Bastian wurde ungehalten. «Darüber hätten Sie uns informieren müssen!»
    «Das habe ich doch, Mia weiß Bescheid.»
    Peinliches Schweigen. Gab es noch mehr Dinge, die er nicht mitbekommen hatte?
    «Entschuldigen Sie», murmelte Bastian. «Das habe ich nicht gewusst.»
    Frau Kemmingers Stimme wurde brüchig. «Kümmern Sie sich um Ihre Mutter. Ich komme schon zurecht.»
    |||||
    Mit dem kleinen Lebensmittelladen, in dem Hilde zuletzt gesehen worden war, als Ausgangspunkt fuhr Bastian sämtliche Straßen der Umgebung ab. Nach einer halben Stunde hatte er ganz Horstmar überprüft, einschließlich der Cafés und Kirchen, aber seine Mutter blieb spurlos verschwunden. Und die ganze Zeit ging ihm das Wort
verlaufen
nicht aus dem Kopf. Es klang so harmlos und enthielt doch eine ganze Schreckenskammer von Möglichkeiten. Konnte es sein, dass Hilde dement wurde? Dass

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