Münsterland ist abgebrannt
haben. Was sie sich dabei gedacht und wie sie sich gefühlt haben. Sie sollen es mir, einer Mosuo, ins Gesicht sagen!»
«Wie stellst du dir das vor? Hier geht es um eine polizeiliche Ermittlung.»
«Ganz einfach: Ich gehe zu ihnen und frage sie. Und wenn deine Kollegen mich davon abhalten wollen, sollen sie es versuchen. Was habe ich denn zu verlieren? Mein Ruf ist ohnehin schon ruiniert.»
«Da gibt es noch eine klitzekleine Schwierigkeit», warf Bastian ein. «Helene Lambert ist auf einer Kreuzfahrt in der Arktis, und Ulrich Vogtländer arbeitet auf Spitzbergen. Vor ein paar Tagen habe ich selbst mit ihm telefoniert.»
«Spitzbergen? Gehört das nicht zu Norwegen?»
«Ich glaube schon.»
Yasi öffnete ihr Notebook, das auf dem niedrigen Holztisch lag.
«Was suchst du?», fragte Bastian, als er sah, dass sie ins Internet ging.
«Die nächste Flugverbindung nach Spitzbergen.»
«Du willst sofort …»
«Ja. Bevor Vogtländer untertaucht.» Nach einer Pause fügte sie noch hinzu: «Oder ermordet wird.»
«Du darfst nicht so ohne weiteres ins Ausland reisen», sagte Bastian und kam sich sofort blöd vor. Warum redete er mit Yasi wie ein Bulle?
«Nein? Wer sagt das? Deine Kollegen haben mir geraten, mich zur Verfügung zu halten. Das klingt für mich wie eine Bitte, nicht wie ein Verbot. Sonst hätten sie mir meinen Pass abgenommen.»
«Und wenn Vogtländer gar nicht mit dir sprechen will?»
Sie tippte etwas ein. «Dann habe ich Pech gehabt.»
Bastian kam ein übler Verdacht: Wollte sie nach Spitzbergen, um Vogtländer zu töten? Hatte Susanne vielleicht recht mit ihren Anschuldigungen?
Nein, das war total absurd. Yasi hatte doch gerade eben erst erfahren, dass Lambert, Weigold und Vogtländer zu dem damaligen Expeditionsteam gehörten. Oder hatte sie das Gespräch mit diesem Bo nur vorgetäuscht, um ihn, Bastian, in Sicherheit zu wiegen? Litt er allmählich unter Paranoia?
Yasi schaute ihn über den Bildschirm ihres Notebooks an. «Du kannst ja mitkommen und auf mich aufpassen. Ich würde mich freuen.»
Einmal Spitzbergen und zurück – das war bestimmt nicht billig.
«Ich bezahle die Reise», sagte Yasi, als könne sie seine Gedanken lesen.
«Das ist nicht nötig», widersprach Bastian.
«Heißt das, du kommst mit?»
So schnell hatte er sich noch nie zu einer Reise entschlossen. «Ja.»
«Gut. Dann buche ich für zwei.»
Nachdem sie die Nummer ihrer Kreditkarte eingegeben und die Buchung abgeschlossen hatte, setzte sich Yasi neben Bastian. Sie schien wieder ganz die Alte: dynamisch und angriffslustig. Erstaunlich, wie sie die Anschuldigungen der Polizei und die Ereignisse der letzten 24 Stunden verkraftet hatte. Oder verfolgte sie doch ganz andere Pläne?
Bastian wusste nicht mehr, was er noch glauben sollte. Er wusste nur, was er glauben wollte.
«Unser Flug geht morgen früh ab Hamburg.» Genüsslich begann sie, sein Hemd aufzuknöpfen. «Bis dahin haben wir noch eine Menge Zeit. Und ich bin plötzlich gar nicht mehr müde.»
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Einundzwanzig
Helene Lambert hatte sich für
Graved Lachs an Orangensoße und Mousse vom Meerrettich
als Vorspeise entschieden, den Suppengang ließ sie aus, erst beim Hauptgang wollte sie mit dem
Tête-à-Tête von Hummer, Riesengarnele und Seeteufel an Safranrisotto und grünem Spargel
wieder einsteigen. Captain’s Dinner. Natürlich gehörte Helene jedes Mal zu den Auserwählten, die sich zum Kapitän an den großen runden Tisch in der Mitte des Speisesaals setzen durften. Besser gesagt: Sie saß stets neben dem Kapitän. Das gehörte zu den kleinen Privilegien der Royal-Suite-Bewohner. Und selbstverständlich wurden die übrigen Plätze am Tisch nur an Gäste der Gold- und Silberkategorie verteilt, die Blouson-, Sandalen- und Schlabberrockträger der unteren Decks waren nicht zugelassen. Das machte die Captain’s-Dinner-Abende für Helene noch ein wenig reizvoller und entschädigte sie für die schmerzhaft vermisste Exklusivität in vielerlei Hinsicht.
Überhaupt war heute ein guter Tag gewesen. Die MS Albertina hatte in Ny Ålesund angelegt, der angeblich nördlichsten Siedlung der Welt mit dem angeblich nördlichsten Postamt der Welt, Superlative, ohne die Reiseleiter nicht auskamen. Früher war Ny Ålesund mal eine Kohlesiedlung gewesen, heute standen hier Forschungsstationen aller möglichen Länder, lebten chinesische Polarforscher neben japanischen und französischen. Helene hatte die bunten Häuser bei einem kleinen Rundgang
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