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Muensters Fall - Roman

Muensters Fall - Roman

Titel: Muensters Fall - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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aufs Deck hinauf und spähte zum Bongerschen Boot hinüber.
    »Keine Lampen, kein Rauch«, stellte sie fest. »Dann ist er nicht da, genau wie ich gestern erklärt habe. Sonst noch was?«
    »Ist er häufiger mal eine Zeit lang weg?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Nein«, sagte sie dann. »Nein, eigentlich bleibt er nie mehr als ein paar Stunden weg. Was wollen Sie denn von ihm?«
    »Reine Routinesache«, sagte Jung.
    »Und was, zum Teufel, heißt das?«, fragte die Frau. »Ich bin schließlich nicht bekloppt.«
    »Wir wollen ihm nur ein paar Fragen stellen.«
    »Und worüber?«
    »Sie sind nicht so begeistert von der Polizei?«, fragte Jung.
    »Da haben Sie ins Schwarze getroffen«, erwiderte die Frau.
    Jung überlegte eine Weile.
    »Es geht um einen Todesfall«, erklärte er dann. »Einer von Bongers Freunden ist ermordet worden. Wir nehmen an, dass Bonger uns ein paar Informationen geben kann, die für uns nützlich sein könnten.«
    »Mord?«, fragte die Frau.
    »Ja«, sagte Jung. »Ziemlich brutal. Mit so einem da ungefähr.«
    Er zeigte auf das Fleischmesser. Die Frau ließ eine Falte zwischen den Augenbrauen sehen, das war aber auch alles.
    »Wie heißen Sie eigentlich?«, fuhr Jung fort und zog einen Block aus der Tasche.
    »Jümpers«, erklärte die Frau widerstrebend. »Elizabeth Jümpers... und wann soll dieser Mord stattgefunden haben?«
    »Samstagnacht«, erklärte Jung. »In der Tat war Herr Bonger wohl einer der letzten, die das Opfer lebendig gesehen haben. Waldemar Leverkuhn ... vielleicht kannten Sie ihn auch?«
    »Leverkuhn? Nein ... den Namen habe ich noch nie gehört.«
    »Wissen Sie, ob es irgendwelche Verwandten oder Freunde gibt, bei denen er sich aufhalten könnte? Ich meine, Bonger.«
    Sie überlegte und schüttelte dann langsam den Kopf.

    »Nein, ich glaube nicht. Er ist eine ziemlich einsame Person...«
    »Hatte er oft Besuch auf seinem Boot?«
    »Nie. Jedenfalls habe ich nie jemanden gesehen.«
    Jung seufzte.
    »Nun ja«, sagte er. »Er wird wohl wieder auftauchen. Wenn Sie ihn sehen, können Sie ihm ja sagen, dass wir ihn suchen. Es wäre gut, wenn er so schnell wie möglich mit uns Kontakt aufnimmt ... Er kann uns jederzeit anrufen.«
    Er streckte ihr eine Karte hin. Die Frau legte das Messer ab, nahm die Karte entgegen und stopfte sie sich in die Gesäßtasche.
    »Jedenfalls vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte Jung.
    »Das ist doch selbstverständlich«, sagte die Frau. »Ich werde ihm Bescheid geben.«
    Jung zögerte noch wegzugehen.
    »Ist es schön, auf so einem Boot zu wohnen?«, fragte er.
    Die Frau schnaubte leicht.
    »Ist es schön, so ein Inspektor zu sein?«, fragte sie.
    Jung schenkte ihr den Ansatz eines Lachens und verließ sie.
    »Viel Glück mit dem Braten!«, rief er, als er sich auf der Höhe von Bongers Boot befand, aber da war sie schon wieder hineingegangen.
    Ein Typ mit Haaren auf den Zähnen, dachte er und kletterte in sein Auto.
    Aber wahrscheinlich mit einem guten Herzen unter der rauen Schale.
    Wie ist es als Inspektor?
    Eine gute Frage, kein Zweifel. Aber er beschloss, ihr lieber nicht auf den Grund zu gehen. Schaute stattdessen auf die Uhr und musste feststellen, dass er es gerade noch bis zur Besprechung schaffen würde.

7
    Eigentlich stimmte es schon, dass Emmeline von Post fünfundzwanzig Jahre lang eine Arbeitskollegin von Marie-Louise Leverkuhn gewesen war.
    Und es stimmte auch, dass die beiden sich seit fast fünfzig Jahren kannten. Dass sie sich eigentlich nie ganz aus den Augen verloren hatten, seit sie die letzte Klasse in Borings Handels-und Büroschule Ende der Vierziger verließen. Trotz Familiengründung, Kindern, Umzügen und dem einen oder anderen sonst.
    Aber man konnte kaum behaupten, dass die Witwe von Post Frau Leverkuhn als ihre allerbeste Freundin bezeichnen würde – etwas, was Letztere vielleicht behaupten würde, wenn man sie danach gefragt hätte. Seit Edward von Post vor vier Jahren an Krebs verschieden war, hatte der Kontakt zwischen den beiden Frauen zwar deutlich an Intensität zugenommen – man traf sich an zwei Samstagen im Monat, einmal im Kolderweg in der Stadt, einmal im Reihenhaus draußen in Bossingen (zumindest im Prinzip) – aber trotzdem gab es da etwas ... ja, da gab es etwas, das fehlte. Emmeline von Post wusste auch genau, was es war. Nämlich dieses kleine wichtige Detail – diese Dimension von Vertraulichkeit, Offenherzigkeit und kichernder Geschwätzigkeit, dieses gleichzeitig so Einfache und doch

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