Muensters Fall - Roman
schaffen ... mindestens eine halbe Stunde.«
»Gibt es niemanden, der sie auf ihrem Weg gesehen hat?«, wollte Heinemann wissen.
Münster schüttelte den Kopf.
»Jedenfalls hat sich bisher noch niemand gemeldet. Wie weit sind wir mit dem Klinkenputzen?«
Krause streckte sich.
»Wir werden heute Abend fertig«, erklärte er. »Aber ihre Angaben sind bisher unbestätigt. Und das werden sie wohl auch bleiben, denn es war auf den Straßen ziemlich menschenleer, und es gab auch für niemanden einen Grund, durchs Fenster hinauszustarren. Sie muss aber am Dusarts Café vorbeigekommen sein, und da saßen auf jeden Fall welche drin. Das werden wir heute Abend noch überprüfen. Obwohl, wie gesagt: Es hat geregnet...«
Münster wechselte das Thema.
»Die Familie«, sagte er. »Drei Kinder. Zwischen vierzig und fünfzig ungefähr. Zwei von ihnen kommen heute beziehungsweise morgen in die Stadt, ich habe mich mit ihnen verabredet. Die älteste Tochter sitzt irgendwo in der Psychiatrie, ich glaube, das hat Zeit ... Nein, es gibt wohl niemanden, der glaubt, dass es sich hier um eine Familienangelegenheit handelt, oder?«
»Gibt es jemanden, der überhaupt irgendetwas glaubt?«, knurrte Moreno und blickte in ihren leeren Kaffeebecher.
»Ja«, sagte Rooth. »Meine Theorie ist, dass Leverkuhn ermordet wurde. Womit wir bei seinen Kumpels wären.«
Moreno und Jung berichteten von ihren Hausbesuchen bei Wauters beziehungsweise Palinski, sowie von dem missglückten Versuch, Bonger ausfindig zu machen. Währenddessen betrachtete Münster Morenos Kniegelenke und dachte an Synn.
Rooth aß noch zwei Kopenhagener, und Heinemann polierte seine Daumennägel mit dem Schlips. Münster überlegte, ob diese Stimmung aus schlechter Laune und halbherzigem Engagement eigentlich über der ganzen Gruppe schwebte oder nur ihn allein anging. Das war schwer zu entscheiden, und er gab sich auch keine große Mühe, zu einem endgültigen Schluss zu kommen.
»Dann ist er also verschwunden?«, fragte Rooth, nachdem Moreno und Jung fertig waren. »Ich meine, Bonger.«
Jung zuckte mit den Achseln.
»Jedenfalls war er seit Samstagabend nicht mehr bei sich zu Hause.«
Krause räusperte sich mit einem gewissen Enthusiasmus.
»Aber verdammt noch mal«, sagte er. »Vier alte Knacker, und zwei von ihnen sind weg. Ist doch logisch, dass das irgendwie zusammenhängt. Wenn es ihnen bisher gelungen ist, älter als siebzig zu werden, ist es ja wohl ziemlich unwahrscheinlich, dass einer von ihnen aus natürlichen Gründen genau in der gleichen Nacht verschwindet, in der ein anderer ermordet wird!«
»Aus natürlichen Gründen verschwinden?«, fragte Jung. »Was soll das bedeuten?«
»Und was hat das mit dem Alter zu tun?«, wunderte Heinemann sich und runzelte die Stirn. »Ich habe mir immer eingebildet, dass man eine größere Chance hat zu sterben, je älter man wird. Stimmt das etwa nicht? Ich meine, rein statistisch gesehen ...«
Er schaute sich am Tisch um. Niemand schien darauf erpicht zu sein, ihm eine Antwort zu geben. Münster wich seinem Blick aus und schaute stattdessen aus dem Fenster. Stellte fest, dass es wieder angefangen hatte zu regnen. Wie alt ist Heinemann eigentlich?, überlegte er.
»Hrrm«, räusperte Rooth sich. »Es ist natürlich möglich, dass hier ein Zusammenhang besteht. Wissen die anderen Alten, dass Bonger am Samstag nicht nach Hause gekommen ist?«
Jung und Moreno sahen einander an.
»Nein«, sagte Jung. »Zumindest nicht von uns. Sollen wir sie uns mal ein bisschen vornehmen?«
»Wir warten noch«, entschied Münster. »Bis morgen vormittag... wenn Bonger dann immer noch nicht aufgetaucht ist, geht es wirklich nicht mit rechten Dingen zu. Denn normalerweise ist er doch nie mehr als ein paar Stunden vom Boot weg, oder?«
»Genau«, bestätigte Jung.
Wieder herrschte Schweigen. Rooth kratzte ein paar Krümel von dem geplünderten Teller, und Heinemann ging wieder zu seiner Brille über. Krause schaute auf die Uhr.
»Noch was?«, wollte er wissen. »Was machen wir jetzt? Spekulieren?«
Auch dazu schien keiner rechte Lust zu haben, und schließlich sagte Rooth: »Ein Verrückter, ich wette zwei Knackwürste darauf. Ein Zufallsmord, und das einzige Motiv, das wir jemals dafür finden werden, ist ein zugedröhntes Fixerhirn ... oder das von einem Anaboler natürlich. Muss er eigentlich kräftig sein, was sagt Meusse dazu?«
»Nein«, sagte Münster. »Er hat gesagt ... er hat behauptet, bei abgehangenem Fleisch
Weitere Kostenlose Bücher