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Muensters Fall - Roman

Muensters Fall - Roman

Titel: Muensters Fall - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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zur Post und ins Einkaufszentrum, um das eine und andere einzukaufen, das jetzt gebraucht wurde, wo mehrere Mäuler zu stopfen waren.
    Und so konnte Marie-Louise ganz ungestört tun und lassen, was sie wollte. Während sie auf die Kinder wartete.
     
    Emmeline von Post machte sich auf den Weg, sobald das Frühstücksgeschirr abgewaschen war, kurz vor elf Uhr, und als sie mit ihren Tüten eine Dreiviertelstunde später zurückkam, war Marie-Louise Leverkuhn verschwunden. Die Tür zu Marts Zimmer stand einen Spalt weit offen, allem Anschein nach hatte sie also nicht versucht, ihr Verschwinden zu verbergen. Aber es lag nirgends eine Nachricht, weder im Zimmer noch sonst irgendwo. Nun ja, dachte Emmeline, während sie die Einkäufe – je nach Art und Beschaffenheit – in der Speisekammer oder dem Kühlschrank verstaute. Sie ist sicher nur rausgegangen, um ein paar Briefmarken zu kaufen oder so.
    Sie kommt bestimmt gleich zurück.
    Deshalb holte sie einen Kuchen aus dem Gefrierschrank, stellte die Kaffeemaschine an und ließ sich mit einer Zeitung am Küchentisch nieder.
    Und wartete.
     
    Auf den Fluss stieß sie in Höhe des zusammengezimmerten Clubhauses des Ruderclubs MECC, wo ein paar Jugendliche dabei waren, die Farbe von den die Fensterrahmen zu kratzen. Sie zögerte eine Weile, bis sie dann nach Westen ging, den weichen Reit- und Fußweg entlang durch den Laubwald. Fast sofort
kam ihr ein feuchtkalter Wind von dem dunklen Wasser entgegengefegt, und sie wickelte sich ihr Tuch fester um den Kopf. Gern hätte sie stattdessen eine Mütze gehabt, schob die Hände in die Manteltaschen und drückte sich das Päckchen fester unter den Arm.
    Sie war diesen Weg schon früher entlanggegangen – zwei-, dreimal im Sommer in Gesellschaft von Emmeline –, und in Gedanken überlegte sie, wie es wohl ein Stück weiter vorne aussah. Sie versuchte sich daran zu erinnern, ob es eine Stelle gab, die besser geeignet und unzugänglicher war als alle anderen, ohne jedoch auf eine eindeutige Antwort zu kommen. Es war, wie es war, das Gelände entlang des Flusses, sumpfig, voller Gestrüpp und ohne direkte Bebauung, aber wirklich ideal konnte es natürlich nicht sein. Das hatte sie schon vorher gewusst und eingesehen – wo es nun mal keine Gelegenheit zum Verbrennen gab, was natürlich das Beste gewesen wäre.
    Sie war erst ein paar hundert Meter weit gekommen, als ihr kaputtes Knie sich bemerkbar machte – die charakteristischen Stiche und ziehenden Schmerzen spürte sie bald jedes Mal, wenn sie den rechten Fuß auf den losen Sand setzte, und ihr war klar, dass es zu riskant war, noch sehr viel weiter zu gehen.
    Außerdem gab es wahrscheinlich gar keine bessere Möglichkeit. Das Flussufer war von Erlen und anderem Wildwuchs bedeckt, und der Schilfgürtel streckte sich weit hin, teilweise bis zu über fünfzig Meter. Sie konnte sich kaum mehr wünschen. Bei der ersten Abzweigung blieb sie stehen und schaute sich um. Kein Mensch zu sehen. Sie bog auf den lehmigen Pfad hinunter zu einem Anleger ab, der in einem Winkel um ein verfallenes Bootshaus verlief. Kletterte vorsichtig auf die ausgetretenen, glatten Bretter und bog um die Ecke. Dort blieb sie ein paar Sekunden stehen und lehnte sich an die Wand, während sie die Luft aus der Tüte drückte und sie ordentlich zuknotete. Sie horchte, ob jemand sich näherte, aber das Einzige, was sie hören konnte, waren weit entfernte traurige Vogelstimmen und das leise Brummen von Autos weit hinten auf der Ringstraße. Kein Mensch in der Nähe. Kein Boot auf dem Wasser. Sie holte
tief Luft und warf das Paket ins Wasser. Sie hörte ein Rascheln, als die spröden Halme geknickt wurden, und ein dumpfes Geräusch, als die Wasseroberfläche durchschnitten wurde.
    So, das war’s, dachte sie. Schaute sich dann noch einmal um. Nichts. Sie war allein, und es war vorbei.
    Sie schob ihre Hände wieder in die Manteltaschen und machte sich auf den Rückweg.
     
    Der dauerte länger, als sie gedacht hatte. Trotz allem war sie ein gutes Stück gegangen, und jetzt tat ihr Knie ernsthaft weh. Sie drosselte ihr Tempo, versuchte gar nicht mehr auf die Ferse abzurollen, denn das fühlte sich nur ungewohnt und sonderbar an und nützte kaum etwas in dem losen Sand. Als sie wieder in den Ort kam, hatte es auch noch angefangen, heftig zu regnen, und sie beschloss, sich ein paar Minuten Pause zu gönnen. Sie suchte Schutz in einem verwitterten und bekritzelten Busunterstand — saß dort auf der Bank und

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