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Muensters Fall - Roman

Muensters Fall - Roman

Titel: Muensters Fall - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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brachte eine Grimasse zu Stande, die wohl ein Lächeln darstellen sollte.
    »Weißt du«, sagte sie. »Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Männer alle nur eine Art aufgeschossener und verkleideter Pfadfinder sind ... wobei ein Teil übrigens nicht mal verkleidet ist.«
    »Davon habe ich auch schon gehört«, entgegnete Münster. »Aber es gibt da auch einen weiblichen Defekt.«
    Moreno hatte ihre Tasse gehoben, trank aber nicht.
    »Ach, wirklich? Und welchen?«
    »Diese unfassbare Zuneigung für aufgeschossene Pfadfinder«, erklärte Münster. »Und für aufgeschossene Jungs und Raufbolde und Schweine ganz allgemein ... wenn du mir erklären kannst, was euch dazu bringt, es zu ertragen, von diesen verfluchten Gorillamännchen jahrein, jahraus geschlagen, erniedrigt, vergewaltigt und gequält zu werden, dann können wir anschließend die Pfadfindermoral und die entsprechende Verkleidung diskutieren!«
    Wut stieg in ihm hoch, ohne dass er damit gerechnet hatte. Gleichzeitig erkannte er, dass Ewa Moreno nicht auf einen Angriff vorbereitet war.
    »Oha«, sagte sie. »Obwohl, da ist natürlich was dran. Gibt es denn eigentlich nirgends reife Menschen?«

    Münster seufzte.
    »Doch, hier und da wohl schon«, sagte er. »Es ist schwer, ein Mensch zu sein. Vor allem, wenn man die ganze Zeit müde und überarbeitet ist ... dann wird man ganz einfach unmenschlich.«
    »Ja, so wird’s wohl sein«, bestätigte Ewa Moreno.
     
    Jung starrte ins Wasser.
    Er stand auf der Doggers Brücke, fünfzig Meter von Bongers Hausboot entfernt, dem er gerade seinen dritten – erfolglosen  – Besuch abgestattet hatte. Er hatte auch ein drittes Gespräch mit Frau Jümpers geführt, oder besser gesagt einen Meinungsaustausch, bei dem aber nichts herausgekommen war, was die Frage nach dem Verschwinden des alten Bootsbesitzers einer Lösung näher gebracht hätte. Ganz und gar nichts. Dafür war der Regen wieder stärker geworden. Das Wasser lief ihm das Haar hinunter, ins Gesicht und in den Nacken, aber das störte ihn nicht länger. Es gab einen Punkt, an dem man nicht noch nasser werden konnte, und den hatte er schon eine ganze Weile hinter sich gelassen, und außerdem begann etwas in seinem Kopf zu arbeiten.
    Etwas ziemlich Kompliziertes.
    Eine Theorie.
    Gesetzt den Fall, dachte er und betrachtete eine Ente, die gegen die Strömung kämpfte, ohne vom Fleck zu kommen – gesetzt den Fall, dass Leverkuhn und Bonger auf dem Heimweg von Freddy’s in Streit geraten waren ... schließlich gab es Zeugenaussagen, die besagten, dass sie draußen auf dem Fußweg lautstark miteinander diskutiert hatten, bevor sie losgegangen waren.
    Gesetzt den Fall also, dass dieser Zwist heftiger wurde und dass Bonger Leverkuhn nach Hause begleitet hat. Und dann geht Leverkuhn irgendwann ins Bett, aber Bonger ist immer noch wütend, und unter dem Einfluss des Alkohols packt er das Fleischmesser und ersticht ihn.
    Danach packt Felix Bonger die Panik. Er nimmt die Waffe
mit, rennt aus der Wohnung, weg vom Kolderweg (soweit man in dem hohen Alter noch rennen kann) ... hastet durch dunkle Straßen und Gassen nach Hause zur Bertrandgraacht, aber als er zur Doggers Brücke kommt, bleibt er stehen und kommt zur Besinnung. Reue und Gewissensbisse plagen ihn. Ihm wird klar, was er getan hat, er bleibt auf der Brücke stehen und starrt auf die blutige Waffe und das dunkle Wasser.
    Gesetzt den Fall schließlich, setzte Jung seinen leicht dahinfließenden Gedankengang fort, dass er genau hier stehen geblieben ist ...
    Er machte eine Pause und starrte in den Kanal hinab. Die Ente gab endlich auf und ließ sich mittreiben. Nach nur wenigen Sekunden war sie im Schatten hinter Bongers Kahn verschwunden.
    ... also an diesem kalten, nassen Brückengeländer stehend!
    Mitten in der Nacht. Wäre es da so verwunderlich, wenn er auch die Konsequenzen gezogen hätte?
    Jung nickte unbewusst. Schließlich brachte er nicht jeden Tag eine tragfähige Theorie zu Stande.
    Und dann – ergo! – gab es zweifellos einiges, was dafür sprach, dass beides sich jetzt genau hier unten befand. Hier unten auf dem morastigen Kanalgrund genau unter dieser Brücke.
    Die Mordwaffe und der Mörder! Trotz Heinemanns pessimistischer Wahrscheinlichkeitsberechnung.
    Jung beugte sich übers Geländer und versuchte, durch die rabenschwarze Wasseroberfläche zu spähen. Dann schüttelte er den Kopf.
    Du bist doch nicht recht gescheit, dachte er. Du bist ein Dilettant. Überlass die Gedankenarbeit

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