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Muensters Fall - Roman

Muensters Fall - Roman

Titel: Muensters Fall - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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aufschreiben.
    »Wir haben ein paar neue Erkenntnisse«, sagte er.
    »Ja?«, sagte Mauritz Leverkuhn nur.
    »Wenn man alles bedenkt, könnte es sein, dass Ihre Mutter unschuldig ist.«
    »Unschuldig?«
    Es war nichts Auffälliges in seiner Art, dieses eine Wort auszusprechen. Zumindest nicht, soweit Münster das ausmachen konnte. Nur der normale Grad der Verwunderung und des Zweifels, wie man ihn erwarten konnte.
    »Ja, wir glauben, dass sie die Tat gestanden hat, um jemanden zu schützen.«
    »Jemanden zu schützen?«, wiederholte Mauritz Leverkuhn. »Wen denn?«
    »Das wissen wir nicht«, sagte Münster. »Haben Sie eine Idee?«
    Mauritz Leverkuhn wischte sich die Stirn mit dem Hemdärmel ab.
    »Nein«, sagte er. »Warum sollte sie so was tun? Das verstehe ich nicht.«
    »Wenn wir davon ausgehen, dass es stimmt«, fuhr Münster
fort, »dann muss sie erfahren haben, wer Ihren Vater wirklich getötet hat, und es muss eine Person gewesen sein, die ihr in irgendeiner Weise nahe stand.«
    »Ja?«, sagte Mauritz Leverkuhn.
    »Kennen Sie derartige Personen?«
    Mauritz Leverkuhn hustete einige Sekunden, sodass sich sein schlaffer Körper im Sessel schüttelte.
    »Nein«, sagte er dann. »Ich verstehe nicht, was Sie sagen wollen. Sie hatte ja nicht viele Kontakte, das wissen Sie doch ... nein, ich kann mir das nicht vorstellen. Warum sollte sie das tun?«
    »Wir sind uns ja auch nicht sicher«, sagte Münster.
    »Und was sind das für neue Erkenntnisse, von denen Sie reden? Die darauf hindeuten?«
    Münster studierte ein paar Sekunden seinen Block, bevor er antwortete.
    »Darauf kann ich leider nicht näher eingehen«, erklärte er. »Aber es gibt da noch ein paar andere Dinge, über die ich gern mit Ihnen reden würde.«
    »Was denn für Dinge?«
    »Zum Beispiel Ihre Schwester«, sagte Münster. »Irene.«
    Mauritz Leverkuhn stellte sein Glas unbeabsichtigt heftig hin.
    »Was meinen Sie damit?«, fragte er, und jetzt endlich war eine Spur von Wut in seiner Stimme zu hören.
    »Uns wurde von dem Heim, in dem sie wohnt, ein Brief geschickt.«
    Das war eine grobe Lüge, aber er hatte sich für diese Variante entschieden. Manchmal war es einfach nötig, eine Abkürzung zu nehmen. Ihm fiel ein persisches Sprichwort ein, das er irgendwo mal aufgeschnappt hatte: Eine gute Lüge geht von Bagdad nach Damaskus, während die Wahrheit noch nach ihren Sandalen sucht.
    Keine schlechte Regel, dachte Münster. Zumindest was die kurzfristigen Beschlüsse betrifft.
    »Sie haben kein Recht, sie hier mit reinzuziehen«, schnaubte Mauritz Leverkuhn.

    »Weiß sie, was passiert ist?«, fragte Münster.
    Mauritz Leverkuhn zuckte mit den Schultern, und die Aggressivität glitt von ihm ab. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Aber Sie müssen sie in Ruhe lassen.«
    »Wir haben einen Brief bekommen«, wiederholte Münster.
    »Ich verstehe nicht, warum die Ihnen schreiben sollten. Was schreiben sie denn überhaupt?«
    Münster ignorierte diese Frage.
    »Haben Sie viel Kontakt zu ihr?«, fragte er stattdessen.
    »Man kann gar keinen Kontakt zu Irene haben«, sagte Mauritz Leverkuhn. »Sie ist krank. Sehr krank.«
    »Das ist uns schon klar«, sagte Münster. »Aber das hindert Sie doch wohl nicht daran, sie ab und zu zu besuchen?«
    Mauritz Leverkuhn zögerte kurz und trank aus seinem Glas.
    »Ich will sie nicht sehen. Nicht so, wie sie geworden ist.«
    »War sie nicht früher einmal Ihre Lieblingsschwester?«
    »Das geht Sie gar nichts an«, sagte Mauritz Leverkuhn, und jetzt kam die Wut zurück. Münster beschloss, lieber eine langsamere Gangart einzulegen.
    »Entschuldigung«, sagte er. »Mir ist klar, dass das schwer für Sie sein muss. Es ist auch nicht gerade lustig, hier zu sitzen und Sie auszufragen. Aber das ist mein Job.«
    Keine Antwort.
    »Wann waren Sie das letzte Mal bei ihr?«
    Mauritz Leverkuhn schien zu überlegen, ob er die schweigsame Linie einschlagen sollte oder nicht. Er wischte sich wieder die Stirn ab und sah Münster mit einem müden Blick an.
    »Ich habe Fieber«, sagte er schließlich.
    »Ich weiß«, sagte Münster.
    »Ich bin seit einem Jahr nicht mehr dort gewesen.«
    Münster schrieb etwas auf seinen Block und überlegte.
    »Seit einem Jahr nicht mehr?«
    »Genau.«
    »Und haben Ihre Eltern sie ab und zu besucht?«
    »Ich glaube meine Mutter.«
    »Ihre andere Schwester?«

    »Ich weiß nicht.«
    Münster machte eine Pause und schaute auf die gräulichen Wände.
    »Wann haben Sie sich von dieser Frau getrennt?«, fragte er

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