Muensters Fall - Roman
schließlich.
»Was?«, fragte Mauritz Leverkuhn.
»Von dieser Frau, mit der Sie zusammen waren.«
»Ich begreife nicht, was das für eine Rolle spielt.«
»Wären Sie so nett und würden mir trotzdem eine Antwort geben«, sagte Münster.
Mauritz Leverkuhn schloss ein paar Sekunden lang die Augen und atmete schwer.
»Joanna ...«, sagte er dann und öffnete die Augen. »Ja, sie ist im Oktober weg. Hat nicht mal zwei Wochen hier gewohnt ... es hat einfach nicht geklappt, wie schon gesagt.«
Im Oktober, dachte Münster. Alles passiert im Oktober.
»So was kommt vor«, sagte er.
»Ja, das stimmt«, sagte Mauritz Leverkuhn. »Ich bin müde. Ich sollte jetzt meine Medizin nehmen und mich hinlegen.«
Er nieste zweimal, als wollte er seine Aussage unterstreichen. Zog ein zerknittertes Taschentuch aus der Tasche und putzte sich die Nase. Münster wartete.
»Mir ist klar, dass Sie nicht in Form sind«, sagte er. »Ich werde Sie auch gleich in Ruhe lassen. Lene Bauer, erinnern Sie sich an sie?«
»An wen?«
»Lene. Sie hieß damals Gruijtsen. Sie haben sie während der Sommerferien am Meer getroffen. In den Sechzigern.«
»Ach, die Lene? Verdammt, da war ich doch noch ein Kind. Sie war meistens mit Ruth zusammen.«
»Aber an die Episode mit dem Geräteschuppen erinnern Sie sich noch?«
»Was für einen verdammten Geräteschuppen denn?«, schnaufte Mauritz Leverkuhn.
»In dem Sie sich versteckt haben, statt in die Schule zu gehen.«
Mauritz Leverkuhn holte zweimal tief und rasselnd Atem.
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Nicht die geringste.«
Er nahm sich ein Zimmer in einem Hotel unten am Hafen, das ebenso heruntergekommen wirkte, wie er sich fühlte. Ging unter die Dusche und aß dann unten im Hotelrestaurant zusammen mit zwei verlebten alten Frauen und vereinzelten Teilen einer Handballmannschaft aus Oslo. Anschließend ging er zurück auf sein Zimmer und führte zwei Telefongespräche.
Zuerst mit Synn und Marieke (Bart war nicht zu Hause, es war Mittwochabend und Kino in der Schule), Marieke hatte Besuch von einer Freundin, die bei ihr schlafen sollte, und sie hatte nur kurz Zeit, ihn zu fragen, wann er denn nach Hause kommen würde. Mit seiner Ehefrau sprach er eineinhalb Minuten.
Dann Moreno. Das dauerte fast eine halbe Stunde, und warum auch nicht, es gab Gründe. Sie informierte ihn über die neu aufgetauchte Plastiktüte im Weylers Wald und die laufenden Untersuchungen hinsichtlich des kleinen Zeitungsausrisses, aber den größten Teil der Zeit sprachen sie über etwas anderes.
Hinterher konnte er sich nicht mehr genau daran erinnern, worüber eigentlich. Er schaute sich insgesamt eine Stunde lang drei verschiedene Fernsehfilme an, danach duschte er noch einmal und ging dann ins Bett. Es war noch vor elf Uhr, und als es zwei geworden war, war er immer noch nicht eingeschlafen.
36
Donnerstag, der 8. Januar, war ein verhältnismäßig klarer Tag in Maardam. Zwar ohne direkte Sonne, aber dafür auch ohne Niederschläge, außer einigen unschlüssigen Spritzern noch vor der Morgendämmerung. Sowie gut und gern fünf Grad über Null.
Richtig erträglich mit anderen Worten, und außerdem gab es da das Gefühl vorsichtigen Optimismus’ und Fortschrittsglaubens, das die andauernden Anstrengungen prägte, Licht in den Fall Leverkuhn zu bringen.
Der Fall Leverkuhn — Van Eck – Bonger.
Die Berichte von der Gerichtsmedizin kamen Schlag auf Schlag. An diesem Tag begnügten sich sowohl Reinhart als auch Rooth damit, die Entwicklungen des Falls am Telefon zu verfolgen. Man wollte Kommissar Mulder schließlich nicht allzu sehr um den Bart gehen, und außerdem gab es noch genug andere Dinge, um die sie sich zu kümmern hatten.
Bereits um zehn Uhr kam der erste Bote. Neue Buchstabentypen- und Papieranalysen hatten gezeigt, dass der Van-Ecksche Papierfetzen mit größter Wahrscheinlichkeit aus einer von zwei Publikationen stammte.
Der Finanzpoost oder dem Breuwerblatt.
Ewa Moreno brauchte nur fünf Sekunden, um eine mögliche Verbindung zu Leverkuhns herzustellen.
Pixner’s. Waldemar Leverkuhn hatte – wie lange war das noch her? Zehn Jahre? – in der Pixnerbrauerei gearbeitet, und das Breuwerblatt musste ja wohl eine Zeitschrift für Leute sein, die etwas mit der Bierbranche zu tun hatten. Es gab auch keinen Grund anzunehmen, dass so ein Abonnement mit der Pensionierung beendet wäre.
»Leverkuhn«, konstatierte Moreno, als sie, Reinhart, Rooth und Jung sich zur Beratung in
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