Mürrische Monster
Innenstadt 1889 durch einen verheerenden Brand zerstört wurde, hat man das moderne Stadtzentrum direkt darüber gebaut.«
»Und noch heute findet man unter Seattles Zentrum Überreste der alten Stadt«, erklärte Richie.
»Dort muss sich Zunder verstecken«, fügte Sandy hinzu. »Er dringt von unten in die Gebäude ein.«
»Es gibt geführte Touren in den alten Untergrund«, sagte Richie. »Mein alter Kumpel Schnorrer hat die Leute am Eingang immer um Kohle angehauen.«
Sandy wendete den Volvo, rumpelte über den Bordstein und den Bürgersteig und streifte den Karren eines Erdnussverkäufers; Myriaden gerösteter Nüsse prasselten zu Boden.
Richie streckte den Kopf aus dem Fenster, um zu sehen, ob dem Verkäufer etwas passiert war. Zum Glück war der Mann unverletzt, aber er hüpfte wie Rumpelstilzchen auf und ab und rief ihnen in einer fremden, mit amerikanischen Schimpfwörtern durchsetzten Sprache seine Meinung über Sandys Fahrkünste nach.
»Tut uns leid!«, rief Richie ihm zu. »Wir müssen die Stadt vor einer Katastrophe bewahren!«
Kurz darauf erreichten sie den Eingang zu Seattles Unterwelt.
»Gleich da unten liegen die Ruinen des alten Seattle.« Sandy deutete auf das Schild für die Führungen, das über einer Tür und einem Schaufenster hing.
»Es ist geschlossen«, sagte Richie.
»Perfekt«, sagte Nate und spähte durch das Fenster. »Dann stört uns niemand. Aber ich frage mich, wo der Fremdenführer ist.«
Die Tür war abgesperrt. Richie zog Pernikus aus der Tasche. Der Dämon sprang zu Boden und schaute sich erst einmal um, wo er überhaupt war.
»Kannst du uns da reinbringen?«, fragte Nate seinen Gehilfen.
»Hi-hi-hi-hi-hi!« Pernikus lachte und zerschmolz zu einer hauchdünnen zweidimensionalen Tafel, um unter der Tür hindurchzuschlüpfen. Sobald er drinnen war, nahm er wieder seine normale dreidimensionale Gestalt an und öffnete den Riegel.
»Was ist mit Nikolai?«, fragte Richie.
»Er fürchtet sich vor Feuer«, sagte Nate. »Ich lasse ihn bei Kail in der Box.«
Nate übernahm die Führung und ging durch den Souvenirladen zu einer Treppe, die abwärtsführte. Er zögerte. Vor gerade mal einer Stunde wäre er beinahe gestorben. Schlimmer noch, unschuldige Menschen waren ums Leben gekommen.
»Seid ihr sicher, dass ihr mich begleiten wollt?«, fragte er die anderen. »Im eingestürzten EMP-Gebäude hat es Tote gegeben.«
Sandy hörte das Beben in seiner Stimme. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. »Nate, du bist derjenige, der versucht, die Menschen und das Chaos voreinander zu schützen. Dich trifft keine Schuld an dem Unheil, das die Dämonen anrichten, und du kannst nicht alle Menschen retten.«
»Nein«, sagte er, »nicht alle. Aber Dhaliwahl meinte, dass ich es versuchen sollte, wenn ich die Gelegenheit hätte, weil es später nicht mehr möglich ist.« Damit wandte Nate sich um und eilte die Stufen hinab.
Der Untergrund wurde von nackten, an Spanndrähten hängenden Glühbirnen erhellt. Hundert Jahre alte Ladenfronten sahen noch völlig intakt aus, und man konnte Teile der früheren Straßenzüge erkennen. Die Jugendlichen schlichen voran und wurden immer stiller. Ohne einen plappernden Fremdenführer kam ihnen der Untergrund eher wie eine Grabkammer als wie eine Touristenattraktion vor. Nate konnte sehen, wie über ihnen die Unterseite des modernen Seattle von stählernen Doppel-T-Trägern und Torbögen aus Backstein abgestützt wurde. In die modernen Bürgersteige über ihren Köpfen waren dicke Glasblöcke eingelassen, durch die trübes Tageslicht hinabfiel, welches das Halbdunkel ein wenig aufhellte.
Einige Backsteine waren angesengt, aber man konnte nicht erkennen, ob dies von dem Großbrand herrührte, der vor einem Jahrhundert Seattles Zentrum zerstört hatte, oder ob es erst kürzlich passiert war.
Sandy zog ihren Laptop aus dem Rucksack.
»O Gott, was soll das denn jetzt?«, meckerte Richie.
«Ich habe den Computer dabei, weil ich einige Passagen aus dem Kompendium in ein Übersetzungsprogramm eingeben möchte. Es funktioniert überraschend gut«, erklärte Sandy. »Und was hast du Nützliches mitgebracht?«
Grinsend zog Richie zwei riesige Super-Soaker-Wasserpistolen aus dem Rucksack und ließ sie wie ein Revolverheld am Finger kreisen. »Falls es irgendwo brennt«, erklärte er.
»Was suchst du denn genau?«, fragte Nate an Sandy gewandt.
»Ich habe einen ganzen Abschnitt nur über Zunder gefunden. In Dhaliwahls Einträgen steht die komplette
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