Mürrische Monster
sagte Richie, »wir palavern nich mit dem Kerl, sondern zerren ihn aus dem Boden und treten ihm in die Eier.«
In diesem Augenblick schlug Richies Spucke auf dem Bürgersteig auf.
PLATSCH!
RA-BUMM!
Plötzlich ließ eine heftige Erschütterung den Aussichtsturm erbeben und warf die drei Gefährten zu Boden. Als das Rütteln aufhörte, sahen sie sich fragend an.
»War das meine Spucke?«, fragte Richie.
»Nein«, sagte Nate. »Seht mal!«
Das riesige Experience-Music-Project-Gebäude am Fuße des Turms bebte noch immer.
Neben dem schlanken eleganten Aussichtsturm nahm sich der hässliche, metallisch-bunte EMP-Bau dort unten wie ein großer Fleck Erbrochenes aus, der nun aber hin und her wogte und an allen Ecken ächzte. Dann brachen die Außenwände langsam auseinander. Sie sahen etliche Besucher ins Freie stürzen, aber für viele war es bereits zu spät. Ein gewaltiger Ruck fuhr durch den Bau, dann stürzte er ein, und zurück blieb ein undefinierbarer Haufen aus rauchenden Betontrümmern, verbogenen Metallteilen und unzusammenhängenden Farbflecken.
KRAAAAACH!
»Das ist Kail!«, sagte Nate. »Sandy hatte recht. Wir sind hier direkt über der Verwerfungslinie.«
In dem eingestürzten Gebäude waren noch Menschen, und Nate zuckte zusammen, als die letzten Eckpfeiler in einer riesigen Staubwolke, unter Geschrei und den Geräuschen berstenden Metalls in sich zusammensackten.
»Deshalb versuchen wir gar nicht erst, mit ihm zu reden«, sagte er zu Lilli.
»Wir müssen ... sofort runter«, stammelte sie.
»Warum?«, fragte Richie, der die Verwüstung mit einer gewissen Faszination betrachtete.
Noch während sie sich unterhielten, raste Kail durch die Straße auf den Aussichtsturm zu und knickte einen der Stützpfeiler um.
»Weil Kail raufkommt«, sagte Lilli.
»Was?«, rief Richie. »Er greift uns an? Erkennt er uns denn? Ich dachte, er macht es sich lieber unter der Erde gemütlich!«
»Dieser Dämon ist nicht so wie die, die ich sehen kann«, sagte Lilli. »Ganz und gar nicht.«
»Du siehst eben nur das Schöne im Chaos«, sagte Nate. »Das hier ist das Gegenteil davon.«
Aber Lilli war bereits davongeschlichen, und als Nate und Richie nicht hinsahen, machte sie einen Satz in den Fahrstuhl.
»Wir warten hier oben auf Kail«, verkündete Nate. »Pernikus, bring mir die Box.«
Der Dämon huschte zu Nates Rucksack und zog die Knobelbox heraus. Nate nahm sie entgegen, den Blick nach unten auf die Stützpfeiler des Turms gerichtet.
»Wenn ich dicht genug an ihn herankomme, sauge ich ihn in die Box«, sagte er.
Der Aussichtsturm erbebte, als Kail den nächsten Pfeiler entzweibrach. Der Riss fuhr durch das Metall bis zu ihnen hinauf. Nun merkten auch die Gäste in dem rotierenden Restaurant, dass etwas nicht stimmte, und als der ganze Turm wie betrunken hin und her schwankte, schrien sie erschrocken auf.
Nate rief Anweisungen: »Nik! Wenn Kail in ein Bauteil des Turms eindringt, das du losreißen kannst, dann tu es, und trenne es ab. Richie, geh auf die Nordseite, und sag mir Bescheid, falls Kail aus dieser Richtung kommt!«
»Wie, ich bin bloß ein Späher?«, fragte Richie.
»Du bist mein Lehrling. Jetzt geh auf die Nordseite! Pernikus, du gehst rüber auf die Westseite.«
Der kleine Hilfsdämon setzte sich augenblicklich in Bewegung. Richie zog eine Grimasse, folgte aber dessen Beispiel.
»Lilli ...?«, rief Nate, bekam aber keine Antwort. »Lilli, ich brauche dich auf der Südseite!« Es hatte keinen Zweck. Sie hatte sich aus dem Staub gemacht.
Kail raste den Turm hinauf und zerstörte die östliche Stützkonstruktion, so dass die Space Needle in den aus der Bucht heranpeitschenden Windböen wild zu schwanken begann. Der Turm neigte sich zur Seite, bis er umzukippen drohte, dann schnellte er zurück, bekam Schwung.
Richie klammerte sich ans Geländer und beobachtete die Geschehnisse von seinem Posten auf der Nordseite der Aussichtsplattform aus. »Da kommt er! Kail rast nach Westen!«
Nate brüllte in den Wind. »Pernikus! Folge ihm!«
Der kleine Kobold trippelte Kail auf dem Geländer hinterher. Der Spalterdämon zog einen Riss rings um das rotierende Restaurant, das direkt unter der Aussichtsplattform lag. Fensterscheiben zerbarsten. Erschrockene Gäste drückten sich schutzsuchend aneinander, zu verängstigt, um zu den ohnehin schon überfüllten Fahrstühlen zu gelangen. Pernikus blieb stehen und zeigte mit seinem auf drei Meter Länge gedehnten Gummiarm dorthin, wo Kail als Nächstes
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