Mürrische Monster
lassen sie frei.«
»Wie bitte?«
»Die anderen sind wahrscheinlich sowieso längst geflohen«, sagte Nate.
»Aber wir sind doch Hüter«, erwiderte Richie, »keine ... Freilasser.«
»Lillis Dämonen sind in ihrem Anhänger gestorben. Ich lasse nicht zu, dass hier das Gleiche passiert.«
»Aber das würde bedeuten, dass wir das Werk von Generationen einfach wegwerfen«, sagte Richie.
»Sie sollen lieber frei herumlaufen, als hier zu sterben.«
Wie um Nates Standpunkt zu unterstreichen, hörte man in diesem Augenblick, wie im Flur etwas zerriss.
»Er bricht durch«, sagte Nate. »Kannst du mit ihnen draußen runterklettern?«
»Nie im Leben. Wir sind fast zehn Meter hoch.«
»Nimm den Schlangenstab. Er wird euch festhalten.«
Der Stab fauchte Nate nervös an, als der junge Hüter ihn Richie zurückgab.
«Brauchst du ihn denn nicht?«, fragte der.
»Mach dich auf den Weg«, drängte Nate. Richie rührte sich nicht vom Fleck. »Mach schon!«, befahl Nate.
Richie fuhr zusammen und begann, mit den Dämonen behängt aus dem Fenster zu steigen. Der Schlangenstab wickelte sich um sein Handgelenk und krallte sich mit dem anderen Ende an die Fensterbank.
RUMMS!
»Mach-mach-mach!«, trieb Nate ihn an, dann fuhr er herum und rannte den Flur hinunter.
Richie kletterte aus dem Fenster und riskierte einen Blick nach unten – falls er aus dieser Höhe abstürzte, würde er sich auf jeden Fall das Genick brechen. Er atmete tief durch und hangelte sich mitsamt den Dämonen langsam an dem Schlangenstab abwärts.
Doch auf einmal wurde er wieder nach oben gerissen. Er legte den Kopf in den Nacken und sah im Fenster ein zahnbewehrtes Maul, das den Schlangenstab aufsaugte wie eine Spaghetti-Nudel.
»Nein!«, brüllte er. Er holte aus, um eine Weihnachtskugel nach dem Ungeheuer zu werfen, doch auch die brüllte los. Er war noch zu weit oben, um einen Sprung zu wagen. Calamitous zog ihn Stück für Stück zu sich hinauf.
In dem Moment prallte neben ihm ein metallischer Gegenstand an die Haus wand. Er blickte hinab. Unten standen Sandy und Nik und hielten die unberechenbare Dämonenleiter fest. Richie befiel eine ungute Erinnerung, und er musste ein leichtes Schwindelgefühl unterdrücken.
»Hierher!«, rief er und stellte einen Fuß auf die Leiter. Aber statt sich selbst zu retten, fing er an, die Dämonen einen nach dem anderen zu Sandy hinunterzuwerfen, die hin und her sprang, um die zerbrechlichen Exemplare aufzufangen, und Nik die schwankende Leiter alleine festhalten ließ. Außerhalb des Hauses zeigten sich Sandy die Dämonen nicht, sondern sahen aus wie gewöhnliche Gebrauchsgegenstände, und die dämonischen Stielgläser schienen nichts weiter zu sein als ein paar schlichte alte Kristallkelche. Doch Sandy wusste es besser und rettete jedes einzelne.
»Komm runter!«, rief sie, als Richie ihr alles zugeworfen hatte.
»Ich werd ihn nich Dhaliwahls Stab auffressen lassen!«, rief Richie zurück. Dieser besonders mächtige Dämon war Dhaliwahls persönlicher Gehilfe gewesen und für seinen Mentor ein ganz besonderes Erinnerungsstück. Außerdem hatte der Stab Nate bei seinem heroischen Kampf gegen das TIER das Leben gerettet.
»Du kannst sie doch nicht alle retten!«, rief Sandy.
»Stimmt«, sagte Richie, »aber den Stab schon.«
Pernikus flitzte die Leiter hinauf, um Richie zu helfen. Der kleine Dämon stürzte sich auf Calamitous und bot sein ganzes Arsenal an Tricks auf, um das riesige Ungeheuer von draußen zu schikanieren und abzulenken, es zu zwicken, zu treten und zu beißen. Drinnen gefangen und zu groß, um durch das Fenster zu steigen, packte Calamitous den kleinen Störenfried und rammte ihn mit dem Kopf gegen den hölzernen Fensterrahmen, worauf das Haus erbebte und die Leiter ein Stück zurückkippte, gerade als Richie mit beiden Füßen halbwegs sicheren Halt gefunden hatte.
»Oaaaahhhh!«
Nik versuchte, die ängstlich herumspringende Leiter zur Ruhe zu bringen, während der Dämonenfresser einen Tentakel aus dem Fenster streckte und Pernikus an die Hauswand drückte. Richie stand jetzt nur noch mit einem Fuß auf einer schwankenden Leitersprosse und klammerte sich ans Fensterbrett.
Der Schlangenstab war fast vollständig im Maul des Dämonenfressers verschwunden, als der plötzlich einen grässlichen Schrei ausstieß. Richie hätte sich die Ohren zugehalten, wenn er seine Hände nicht gebraucht hätte, um sich an die Fensterbank zu klammern. Plötzlich würgte Calamitous den Schlangenstab
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