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Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben

Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben

Titel: Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Seyboldt
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Fassung der Deckenlampe und ernannten Noras kleinen Bruder zur Jury. Dann starteten wir das Schaulaufen. Einmal in Noras unglaublich schnittigem Adidas-Badeanzug die zwei Meter zwischen Couch und Balkontür zurückzulegen war fast so gut, wie ihn zu besitzen. Und es war ja wohl klar, wer das nächste Bond-Girl werden würde, oder?
    Leider musste Nora auf Befehl ihrer Mutter jedes Mal die Hälfte wieder zurückschicken, sodass ihr Kundenkonto irgendwann »bis auf Weiteres« gesperrt wurde. Also eigentlich nicht Noras, sondern das von ihren Eltern. Sie wurden dann eine Neckermann-Familie.
    Der Otto-Katalog der Ökos hieß Hess Natur. Genau wie sie war er blasser und langweiliger, und die einzigen Anspielungen auf Sex waren Salatsäcke aus handgepflückter Baumwolle und mundgeblasene Christbaumkugeln. Heimlich nannte ich ihn Hass Natur.
    Meine Mutter allerdings kam aus dem Schwärmen über die »super Basics« mit der »hervorragenden Qualität« gar nicht mehr heraus, und am Anfang fiel ich sogar darauf rein. »Basic«, das hörte sich an wie »Levi’s«, und ich versprach mir davon ein Sweatshirt mit einem riesigen Schriftzug quer über der Brust und im Anschluss die Aufnahme in die angesagte Clique der Schule. Doch das »Basic« entpuppte sich nur als einfarbiges, formloses T-Shirt. Aus Bouretteseide, wie meine Mutter schnell hinzufügte, aber das machte es auch nicht besser. Wen interessierte schon hervorragende Qualität? Es waren die Neunziger! Da musste ein Kleidungsstück nur eine von drei Bedingungen erfüllen: 1 . Neonfarben. 2 . 100  Prozent Polyester. 3 . Ein gut sichtbares Label.
    Das Bouretteseide-Basic hatte nichts davon.
    Das war nun wirklich nicht das erste Mal, dass ich etwas anderes unter Mode verstand als meine Eltern, aber vermutlich hatten sie das einfach verdrängt. Bereits im Kindergarten hatte ich nach Lackschuhen verlangt. Und pastellfarbenen Kleidchen mit Rüschen. Und weißen Strumpfhosen. Meine Mutter war erschüttert. Genau so musste sie früher rumlaufen. Gezwungenermaßen! Und ihre Tochter wollte diese Ausgeburt der Spießigkeit nun freiwillig tragen?
    Dabei standen mir doch diese klassischen Matrosenkleider und die einfarbigen, schlichten Modelle so gut! Fand jedenfalls meine Mutter. Für mich hingegen war schlicht nur ein Synonym für langweilig, ich wollte was mit Gedöns. Zum Auffallen. Gut, dass es Oma Schwarzwald gab. Genau wie ich hielt sie klassisch und schlicht für vollkommen überbewertet und schenkte mir deshalb bei jeder Gelegenheit Kleider, die mehr nach unserem Geschmack waren. Ein Dirndl. Ein Samtkleid. EIN PASTELLFARBENES KLEID MIT RÜSCHEN ! Ach, wie ich Oma liebte. Fast so sehr wie das Rüschenkleid, das ich von da an täglich trug. Monatelang.
    Dann kam der Tag, an dem meine Kindergartengruppe einen Ausflug in die Grundschule machen sollte. Um mal vorher die Lage zu sondieren, schließlich würden wir dort bald unseren Dienst antreten. Meine Mutter überlegte, mit welchem Outfit ihre Tochter am besten den Eindruck einer hochmotivierten angehenden Erstklässlerin erwecken konnte. Sie entschied sich für ein schlichtes Ensemble aus blau-weiß-gestreiftem Pulli und einer blauen Hose in Karottenform.
    Ich entschied mich für das Rüschenkleid. Und obwohl es mir mittlerweile viel zu klein war, ging ich schließlich als Presswurst zur Schulbesichtigung. In einem Haushalt, in dem ausschließlich Fleisch von glücklichen Tieren auf den Tisch kommt, legt man eben auch Wert auf glückliche Würste.
    Was die Lackschuhe und die weiße Strumpfhose anging, so nutzte meine Mutter ihren Altersvorsprung von 23  Jahren schamlos aus. Sie erpresste mich. Wenn mich das Kind unbedingt quälen will, mag sie gedacht haben, dann will ich wenigstens was davon haben. So kam es, dass sie mir die Schuhe und die Strumpfhose zwar kaufte, aber anziehen durfte ich sie nur am Sonntag. Wenn wir in die Kirche gingen. Strafe muss sein.
    Mittlerweile war ich aber vierzehn, und die neue weiße Strumpfhose waren Buffalos. Diese erstaunliche Kreuzung aus Turnschuhen und Plateausohlen in schwarz, weiß oder kamelfarben ließ jedes noch so plumpe Bein aussehen, als gehöre es einem Supermodel. Am geilsten war die Lackversion, in der sich sogar mal Emma Bunton von den Spice Girls den Knöchel verstaucht hatte.
    Die coolen Mädchen eierten auf ihren Buffalos von der Sporthalle zur Raucherecke und wieder zurück, was bei den gleichaltrigen Jungs Bewunderung aber auch Angst hervorrief, da die Mädchen sie nun

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