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Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben

Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben

Titel: Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Seyboldt
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abstaubt, während die Professorengattin mit einer schlanken Damenzigarette auf der Chaiselongue sitzt und »Schatz, reichst du mir bitte mal das Feuilleton?« sagt.
    Aber das Leben war kein Film, meine Eltern rauchten nicht und Frau Fritsch war nicht Emmanuelle Béart. Sie war weit davon entfernt, eine Putzfee zu sein, aber dafür das, was man gemeinhin eine Perle nennt, und das war mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser.
    Kann nämlich eine Putzfee den Küchenschrank hochheben, um die darunter liegenden Wollmäuse zu entfernen? Frau Fritsch konnte. Ist eine Putzfee in der Lage, eine Holzeinbauküche auseinanderzumontieren und fachgerecht wieder zusammenzuschrauben? Frau Fritsch war es. Schafft es eine Putzfee, beim bloßen Abstauben eine Glühbirne kaputt zu machen? Frau Fritsch ja, aber wie bedeutend sind schon Glühbirnen, wenn man dafür jemanden hat, der richtig anpacken kann.
    Abgesehen von dem Getöse, das Frau Fritsch bei jedem ihrer Handgriffe verursachte, mochte ich sie wirklich gerne. Das lag auch daran, dass sie das komplette Gegenteil von meinen Eltern war. Nachhaltigkeit bedeutete für sie, dass die Fenster auch nach einer Woche noch sauber waren. Sie trank lieber einen sauren Gespritzten als Wein aus unbehandelten Trauben, unter Energieeffizienz verstand sie ihren Mittagsschlaf und »bio« war für sie ein »naturorientierter Lebensstil mit drei Buchstaben« in ihrem Kreuzworträtsel, keine Berufung.
    Stets umwehte Frau Fritsch ein Hauch von Chemie, der sich aus Haarspray, scharfem Reinigungsmittel und Weichspüler zusammensetzte, und da all das in unserem Haus eigentlich verboten war, sog ich ihren Duft ein wie eine Klebstoffsüchtige. Manchmal hängte meine Mutter die Arbeitskleidung von Frau Fritsch heimlich zum Lüften auf den Balkon, wegen des Geruchs nach Weichspüler der Marke So-duftet-der-Frühling. Frühlingsduft war in unserem Haus nämlich nur erwünscht, wenn er aus dem Garten hereinwehte.
    Während ich müde ins Badezimmer ging, hörte ich, wie sich Frau Fritsch und meine Mutter in der Küche unterhielten.
    »Am Wochenende war der Albert zu Besuch«, rief Frau Fritsch, um den Staubsauger zu übertönen. Der Albert war ihr Sohn, und wie es für erwachsene Kinder üblich ist, besuchen sie ihre Eltern immer viel zu selten.
    »Das ist aber schön«, sagte meine Mutter. »Was haben Sie denn unternommen?«
    »Wir waren auf einem Konzert.«
    »Oh, auf was für einem denn?«
    »Das Herbstfest der Volksmusik. Mein Gott, war das schön. Und alle haben geschunkelt!«
    Ich schloss die Badezimmertür. Als ich mich auf die Toilette setzen wollte, bemerkte ich gerade noch rechtzeitig, dass sie schon besetzt war. Eine Brausetablette sprudelte blau vor sich hin und verströmte Meeresaroma. Mist. Na, dann eben nicht.
    Die WC -Tabs waren übrigens das einzige Reinigungsmittel, bei dem sich Frau Fritsch in den wochenlangen Verhandlungen mit meiner Mutter durchgesetzt hatte. Es war nämlich so, dass sie an ihrem ersten Arbeitstag vor fünf Jahren einen Putzeimer mit einem Sortiment an Flaschen mitgebracht hatte. Der Eimer war riesig. Darin befanden sich: Cillit Bang, Multi-Fett Kraftreiniger für die Küche, Ajax Intensiv Glasreiniger für Fenster und Spiegel, Null Null Power WC Aktiv-Pulver für die Toilette, Bref Power Schaum gegen Bakterien und Schimmel im Bad, Meister Proper Allzweckreiniger mit Meeresfrische für die Böden und noch vieles mehr. All diese Produkte hatten Namen, in denen Schlüsselwörter wie Hochleistung, Power, Aktiv, Langzeit oder Kraft vorkamen, und manche von ihnen setzten sogar noch mit Großbuchstaben und Ausrufezeichen eins drauf. Cillit BANG ! Ich stellte mir gerne vor, dass es schon reichte, diesen Namen auszusprechen, damit die Armaturen vor Angst kapitulierten und ihren Kalk abwarfen.
    Meine Mutter hingegen ließ sich nicht gerne anschreien, und schon gar nicht von Putzmitteln. Sie befand sich in einer Zwickmühle. Einerseits tat es ihrer grünen Seele weh, so viele verschiedene Produkte im Haus zu haben, die auch noch alle besonders aggressiv waren. Bisher hatte es in unserem Haushalt nur Essigreiniger, Neutralseife, Scheuermilch und Spülmittel gegeben, für die ganz harten Fälle auch mal Gallseife, mehr aber nicht. Und natürlich alles von der Marke mit dem Frosch, dem Joschka Fischer einmal bescheinigt hatte, er sei ein »Grüner der ersten Stunde«. Bioqualität seit 1986 eben. Andererseits wollte sich meine Mutter als Laie auch nicht in den Job von Frau

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