Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben
Fritsch einmischen, indem sie ihr vorschrieb, mit welchen Produkten sie zu putzen hatte.
Sie ging also folgendermaßen vor, um sich ihren Status als Hausherrin Schritt für Schritt zurückzuerobern.
1 . Sie appellierte an das Mitgefühl von Frau Fritsch. Immer, wenn diese mit einem Produkt herumsprühte, das nach Chlor oder Zitrone aus der Dose roch, benutzte meine Mutter Sätze wie: »Puh, was für ein Gestank« und »Ich muss hier dringend mal lüften, sonst wird mir schlecht«, was irgendwann Wirkung zeigte.
2 . Sie packte Frau Fritsch bei ihrer Fachfrauenehre. Beim gemeinsamen Fensterputzen streute meine Mutter beiläufig ein, dass ihr ein professioneller Fensterputzer den Tipp gegeben habe, nur kaltes Wasser und einen Tropfen Spülmittel zu verwenden. Ein professioneller Fensterputzer? Das leuchtete Frau Fritsch ein, er war ja vom Fach. Genau wie sie.
3 . Sie nutzte den Heimvorteil aus. Immer, wenn ein Produkt leer war, kaufte sie schnell ein neues, das ökologisch korrekt war und stellte es an den frei gewordenen Platz.
Im Laufe der Zeit hatte sich so eine Dynamik entwickelt, mit der beide Seiten leben konnten. Nur der Kloreiniger war meiner Mutter weiterhin ein Dorn im Auge – bis eines Tages Sonja und Uli zu Besuch waren. Im Gegensatz zu ihnen wirkten meine Eltern wie Stammgäste beim Fast-Food-Drive-In. Sie hatten ein Haus gebaut, das komplett aus Holz bestand und in dem Weißmehl und Zucker strengstens verboten waren. Scharfes Putzmittel sowieso.
»Bei uns gibt es nur Essigreiniger und Schmierseife«, sagte Uli, und in seiner Stimme schwang ein stolzer Unterton mit.
»Und wie bekommt ihr das Klo sauber?«, fragte meine Mutter.
»Na, mit Essigreiniger. Man muss halt kräftig schrubben.«
Er machte eine Pause und fügte hinzu: »Die Sonja macht das alles aus eigener Kraft.«
Na toll. Der Mann des Hauses hält seinen selbstgerechten Öko-Lifestyle hoch, aber die Konsequenzen muss die Frau ausbaden. Meine Mutter wurde wütend. Hatte sie nicht genau deshalb eine Putzfrau engagiert, damit nämlich das Saubermachen der 22 Fenster nicht immer nur an ihr hängen blieb? Und das Schrubben der Toilette? Jetzt hatte sie eine Putzfrau – doch wollte sie es ihr wirklich unnötig schwer machen? Der WC -Reiniger blieb. Auch wenn meine Mutter bis heute nicht versteht, warum der Abfluss sauberer sein muss als die Klobrille.
Nachdem ich mich gewaschen und angezogen hatte, ging ich ins Esszimmer, wo die Spuren von Frau Fritsch deutlich zu sehen waren. Denn sie stellte nach getaner Arbeit zwar immer alles wieder an seinen Platz, aber nicht so wie es vorher war, sondern so, wie sie es für richtig hielt.
Richtig hieß in ihrem Fall: symmetrisch. Der ganze Kleinkram, der normalerweise auf unserem Esstisch herumlag – Postkarten, Steine aus dem Urlaub, Kerzen – befand sich nun aufgereiht und gestapelt am Tischende. Den Korkuntersetzer hatte sie in die Mitte des Tisches gelegt und die Blumenvase mit dem Tulpenstrauß obendrauf gestellt. Ein modernes Kunstwerk, bei dem zusammengefügt wurde, was nicht zusammengehört. Interessant.
Mit Blumen an sich stand Frau Fritsch sowieso auf dem Kriegsfuß – abgesehen von den Orchideen und Kakteen, die sie meiner Mutter zum Geburtstag schenkte, vermutlich um sie von ihren Vorteilen zu überzeugen. Sie waren ja so pflegeleicht! Ganz im Gegensatz zu den Geranien bei uns zu Hause.
»Die verlieren die ganze Zeit Blüten«, sagte Frau Fritsch gerne, »da kommt man ja gar nicht mehr hinterher mit dem Putzen.« Dann seufzte sie. Wenn es nach ihr ginge, würden Pflanzen einfach abgeschafft, wofür gab es schließlich Stoffblumen? Die machten keinen Dreck, sahen immer gut aus und vor allem immer gleich, da musste man sich nicht ständig an etwas Neues gewöhnen. Und Geld ausgeben musste man auch nur einmal.
Gerade als ich mich an den Tisch gesetzt hatte und mir eine Tasse Tee einschenkte, kam meine Mutter ins Zimmer.
»Ach, du bist schon wach?«
»Es war laut.«
»Das tut mir leid. Aber schau doch mal, wie wunderbar sauber jetzt alles ist!«
Sie ging in die Küche, um sich einen Teller zu holen. Beim Rückweg schubste sie mit dem Fuß den Teppich in seine alte Position. Meine Mutter legte sehr viel Wert auf auflockernde Elemente in der Wohnung, deshalb musste der Teppich schräg drapiert sein, so als hätte ihn jemand im Vorübergehen beiläufig fallengelassen. Wenn Frau Fritsch da gewesen war, lag er schnurgerade in der Mitte des Zimmers. Seit Jahren schoben sie nun
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