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Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben

Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben

Titel: Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Seyboldt
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schon den Teppich hin und her, und keine von ihnen wollte nachgeben.
    Während wir gemeinsam frühstückten, hörten wir Frau Fritsch nebenan im Wohnzimmer rumoren. Offenbar staubte sie gerade den Kachelofen ab, dessen Sims als Aufbewahrungsort für alle möglichen Sachen diente. Anhand ihrer Kommentare konnten wir mitverfolgen, was sie gerade machte.
    »Herrje, was liegt denn hier? Ah, ein Teller mit … hoppla, da war ja was drin. Na so was. Rosenblätter, wozu man das nun wieder braucht, so ein Staubfänger. Weg damit. Der Bilderrahmen hat auch schon bessere Zeiten gesehen, da muss man mal mit Politur ran. Hm, was das hier wohl ist? Sieht aus wie ein Deo oder ein Parfum, mal riechen.«
    Meine Mutter und ich grinsten uns an. Dann hörten wir ein pfffft und einen erstickten Schrei. Eine tränenüberströmte Frau Fritsch stolperte herein.
    »Was um alles in der Welt ist passiert?«, fragte meine Mutter erschrocken. Ich hielt schon mal Ausschau nach einer stark blutenden Wunde.
    Frau Fritsch weinte.
    »Ich weiß auch nicht. Ich habe doch nur einmal damit in die Luft gesprüht und daran gerochen.«
    Sie hielt uns eine kleine schwarze Spraydose vor die Nase, die ich noch nie zuvor gesehen hatte.
    »Ich dachte, das wäre ayurvedisches Raumspray oder Deo.«
    Meine Mutter nahm die Sprühdose in die Hand und kniff die Augen zusammen. Dann stieß sie die Luft aus, die sie angehalten hatte.
    »Frau Fritsch, das ist Tränengas. Kein Wunder, dass Sie heulen.«
    »Tränengas?«
    Schnell führte meine Mutter Frau Fritsch zum Waschbecken und schaufelte ihr Wasser ins Gesicht. Danach ließ Frau Fritsch sich auf einen Stuhl sinken und wischte sich die Augen mit dem Zipfel ihrer Kittelschürze.
    »Also so was. Wozu brauchen Sie denn Tränengas?«
    Meine Mutter war zerknirscht.
    »Das war ein Werbegeschenk, als ich mal in einer Tiefgarage geparkt habe. Danach muss ich es auf den Kachelofen gestellt und vergessen haben. Geht’s wieder?«
    »Danke, ja. Mannomann, was für ein Tag.«
    Frau Fritsch trocknete ihr Gesicht mit dem Geschirrtuch, das am Kühlschrank hing. Dann sagte sie: »Na, wenigstens wissen Sie jetzt, dass das Tränengas funktioniert.«
    Putzfeen sind definitiv überbewertet.

13 Das Müslimädchen wird flügge und zieht
in eine große Stadt. Es teilt sich eine Wohnung mit anderen Menschen und macht lauter
ungesunde Dinge.
    Und dann war ich auf einmal volljährig, hatte Abitur und keine Ahnung, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Bisher hatte alles auch ohne großen Aufwand meinerseits reibungslos funktioniert (Finanzen, Beziehung, Schule), sodass ich ganz vergessen hatte, mir Gedanken über meine Zukunft zu machen. Also über meine berufliche. Ansonsten war alles klar: Ich wollte in Kanada auf einer Farm leben, wo das ganze Jahr Indian Summer wäre. Oder in Südfrankreich, in einem alten Bauernhaus mit großem Garten, einem Hund und einer pastellfarbenen Vespa. Nur was ich da genau tun würde, das wusste ich nicht. Seit dem Kindergarten hatte ich zwar mehrere Berufe in Betracht gezogen: Feuerwehrfrau, Prinzessin, Malerin, Erzieherin, Cowgirl, Go-Go-Girl, Psychologin, berühmte Saxofonistin, berühmte Schriftstellerin, einfach nur berühmt. Aber jetzt fand ich das alles irgendwie doof.
    »Fräulein, so nicht!« Mein Vater sprach gefährlich leise. Der Familienrat tagte wieder einmal. Weil ich wochenlang nur zum Duschen und Kleider wechseln nach Hause gekommen war – so viele Verpflichtungen, so viele Partys, und dann war auch noch Sommer. Hach. Schlimm. Also im positiven Sinne. Oder?
    »Nein, verdammt noch mal!«
    Mein Vater haute mit der flachen Hand auf den Tisch.
    »Es reicht jetzt mit dem Lotterleben. Du suchst dir ein Studium oder irgendwas anderes, ansonsten fliegst du hier raus.«
    Wie sollte das denn gehen, ohne meinen Kleiderschrank, meine Zeitschriften, die Badewanne …?! Hilfe, schnell an den Computer. Wahllos gab ich bei Google Wörter wie »kreativ«, »Medien«, »Mode« und »schreiben« ein, dann fand ich einen Treffer, in dem alle meine Suchbegriffe vorkamen: Modejournalismus. Perfekt. Vor meinem inneren Auge sah ich mich bereits als Chefredakteurin der Vogue Deutschland in meinem Büroloft sitzen und per Würfel über den Aufstieg oder Fall eines neuen Designers entscheiden. Aber das Wichtigste: Der Studienplatz war in Berlin. Einer richtigen Großstadt. Zwar nicht Kanada oder Südfrankreich, aber weit genug weg von zu Hause. Toll.
    Das fand auch mein Vater.
    »Na also, geht doch«, sagte

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