Muetter ohne Liebe
heben oder die ökonomische Alterssicherung der Eltern darstellen. Warum Mütter immer noch häufig männliche Nachkommen bevorzugen, darüber wurden viele psychologische Schrift en verfasst und verschiedene Theorien ersonnen. An dieser Stelle wollen wir es dabei belassen, dass die betreffenden Mütter häufig das weibliche Geschlecht ganz allgemein ablehnen, verachten, geringschätzen. Dies tun sie aus verschiedenen Gründen, aber die Ablehnung der Tochter schließt (zwangsläufig) die ihrer eigenen Person mit ein. Auch Neid und Eifersucht können eine Rolle spielen, wie es zum Beispiel im Märchen von Schneewittchen der Fall ist, deren (Stief-)Mutter es nicht ertragen konnte, dass die Tochter «tausendmal schöner» als sie selbst ist. Ich erinnere mich an eine Patientin, eine bildhübsche Frau, deren Mutter ihr von Beginn an immer wieder eintrichterte, wie hässlich sie sei, der Hals so kurz, die Beine so dünn usw. Die junge Frau war auch im Erwachsenenalter noch zutiefst davon überzeugt, eigentlich hässlich zu sein, mochte der Spiegel der Umwelt ihr auch tausendmal ihre Schönheit und Attraktivität bescheinigen.
Der «fremde Wurf»
Eine weitere Form der Ablehnung kann darin begründet sein, das der Mutter das Kind wie aus einem «fremden Wurf» vorkommt. Es ist ihr zutiefst fremd, wie versehentlich aus einem «Wurf» untergeschoben, der nichts mit ihr zu tun hat. Das Kind ist anders als sie selbst und wird auch nicht als ein Teil von ihr erkannt und angenommen.
Das Kind hat irgendwie nicht nach meiner Sippe gerochen, sie war mir immer fremd, schon von Anfang an.
Als ich das erste Mal in den Armen meiner Mutter lag, war unser Verhältnis besiegelt. Ich entsprach nicht ihren Vorstellungen und Hoffnungen. Meine Mutter war blond und hellhäutig. Ich enttäuschte sie von Anfang an, allein durch mein Aussehen.
Mein Sohn und ich, wir haben nicht so sehr viel miteinander. Er entwickelt sich anders, als ich es gerne hätte. Es ist mir wichtig, uns beide getrennt zu sehen.
Wenn eine belastete oder feindselige Beziehung zum Partner besteht, kann die Mutter das Kind auch ablehnen, wenn es ihrem Empfinden nach zur «Sippe» des Vaters gehört. So zitiert Simone de Beauvoir aus den Berichten eines Arztes:
Ich kannte eine Mutter, die ihre vierte Tochter, ein stilles, reizendes Geschöpfchen, seit der Geburt nicht ausstehen konnte […] Sie behauptete, das Kind hätte alle unangenehmen Eigenschaften ihres Mannes in potenzierter Form […]. (Beauvoir 2000, S. 657)
Eine meiner Patientinnen, deren Eltern sich früh hatten scheiden lassen, hörte immer wieder von ihrer Mutter:
Du siehst aus wie dein Vater, du bist wie dein Vater. Alles an dir ist widerlich.
Auch an diesem Beispiel wird deutlich, wie fließend die Übergänge und Grenzen zu aktiv feindseligem Verhalten in Form von verbaler Gewalt sein können.
3.2.3 Die Enttäuschung über das eigene Leben
Eine unglückliche Ehe, die Frustration über die Bedingungen der Mutterschaft, ein nicht gelebtes eigenes Leben oder Schicksalsschläge können zu einer tiefen Unzufriedenheit von Müttern führen, die in eine Ablehnung des Kindes «übertragen» werden. Kinder ablehnender Mütter vermuten:
Wahrscheinlich quält sie mich, weil sie sich selbst nicht ausstehen kann und weil ihr das Leben viele Dinge vorenthalten hat, die sie vielleicht gewollt hatte.
Sie hatte diese unglückliche Ehe, war praktisch immer nur zu Hause und hat nie eigene Interessen verwirklicht. Ich denke, sie war zutiefst unzufrieden mit ihrem Leben.
Sie war verdammt zu einem Dasein, das sie nicht mochte.
Ein heute 55-jähriger Mann, dessen Mutter seit dem Tod seines Vaters, er selber war damals sechsjährig, ablehnend und lieblos gegen ihn war, schildert in diesem Zusammenhang eine eindrückliche Szene. Im jungen Erwachsenenalter konfrontierte er seine Mutter eines Tages mit diesem doppelten Bruch und «Liebesverlust» in seinem Leben, der ihn tief geprägt hatte. Darauf entspann sich folgender Dialog:
Mutter: Du weißt nicht, wie es ist, den einzigen Menschen zu verlieren, den man liebt. Sohn: Aber ich war doch auch noch da. Mutter: Ich wünschte, du wärst es nicht gewesen.
3.2.4 Die solipsistische Persönlichkeit
«Stell dir doch nur mal einen Augenblick lang mein Leben vor,» sagte sie leise… «Stell dir vor, wie wenig ich darauf vorbereitet war, die Mutter eines Kleinkindes zu sein. Plötzlich sollte ich den Archetyp der ewig selbstlosen Frau verkörpern. Fremder hätte es kaum
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