Muetter ohne Liebe
emotionale Defizite in der eigenen Kindheit auf die spätere Eltern- bzw. Mutterrolle aus. Viele distanzierte, desinteressierte Mütter kamen als Kinder selbst zu kurz an mütterlicher Liebe und wurden von ihren Müttern ebenfalls zurückgewiesen. Mütter aber, die als Kind selbst keine ausreichende Bemutterung erfahren haben, wissen auch nicht, wie sie ihr Kind bemuttern sollen. Verlässlichkeit, Vertrauenswürdigkeit, Fürsorglichkeit und Wärme haben sie selbst nicht erlebt und können deshalb diese Erfahrung nicht weitergeben. Oft sind sie nicht nur hart gegen andere, sondern auch gegen sich selbst. Sie haben keinen Zugang zu ihren Gefühlen, zu ihren weichen und spielerischen Selbstanteilen, zur Fähigkeit der Fürsorge ganz allgemein. In dem Buch «Wie meine Mutter» der Psychologin Nancy Friday kommt dies im Bericht einer vierzigjährigen Juristin zum Ausdruck:
Meine Mutter konnte keine Liebe geben […] und so wusste ich auch nicht, wie man das macht, als ich eine Tochter bekam. Wo sollte ich lernen, wie man Liebe gibt? Man kann es nicht aus Büchern lernen. Wenn man in einem feindseligen Elternhaus aufwächst, spiegelt man diese Feindseligkeit später selbst wider…Ich wusste als Kind nicht, wie man Liebe erhält, also weiß ich nicht, wie man Liebe gibt…angefangen damit, mir selbst Liebe zu geben. (Zit. n. Friday 1982, S. 32).
Auch zeitgeistige Einflüsse können eine Rolle spielen, wie die nächsten Schilderungen zeigen. Allerdings gibt es ablehnende, kalte Mütter auch heute und nicht nur in der «harten» Kriegs- und Nachkriegs-Generation.
Meine Mutter wurde unehelich geboren, das war in den 30er Jahren eine absolute Schande und Katastrophe. Sie wurde dann von ihren Großeltern großgezogen und durfte erst Kontakt zu ihrer Mutter aufnehmen, als sie 14 Jahre alt war. Das Verhältnis zwischen den beiden blieb aber immer distanziert.
Sie hat sich nicht wirklich für uns interessiert, ist nicht auf uns eingegangen. Aber das war wahrscheinlich diese Generation. Das habe ich schon von meiner Großmutter gekannt.
Die Mutter meiner Mutter war im Waisenheim und ist dann, wie es damals üblich war, zu einem Bauern gegeben worden zum Arbeiten. (Zit. n. Schützenhöfer 2004, S. 121)
Auch die biografische Gegenwart, die aktuellen Lebensumstände der Mutter, prägen ihre Einstellung zum Kind. Vielleicht ist sie in irgendeiner Form überfordert, wird von anderen zu wenig unterstützt. Vielleicht ist sie zu jung, durch Existenzängste belastet, allein und isoliert mit dem Kind. Möglicherweise ist die Beziehung zum Partner gestört, das Kind oder die Mutter selbst krank und Pflegebedürft ig.
3.2.2 Selektive Ablehnung
Die Mutter lehnt speziell dieses Kind ab, denn es ist in Bezug auf ihre Wünsche und Erwartungen das «falsche» Kind. Hat sie mehrere Kinder, kann es aber durchaus sein, dass diese mehr Zuwendung erfahren. Eine distanzierte, unberührbare Mutter wird sich auch dann nicht in eine einfühlsame und zärtliche Mutter verwandeln, das andere Kind/die anderen Kinder werden aber deutlich nachsichtiger behandelt oder mit mehr Aufmerksamkeit oder Privilegien bedacht.
Das «falsche» Geschlecht des Kindes
Die Ablehnung eines Kindes ist häufig in seinem «falschen» Geschlecht begründet. Auch hierzu verschiedene Stimmen betroffener Kinder, die vor allem Töchter sind:
Als ich auf die Welt kam, waren die ersten Worte meiner Mutter: «Was – ein Mädchen? Das will ich nicht.» Und zur Hebamme: «Nehmen Sie es weg.» Ich habe davon erst viel später erfahren, aber ich habe auch so immer gewusst, dass ich für sie «falsch» war.
Meine Mutter war eine Jungenmutter. Sie mochte keine Frauen, das hat sie auch immer gesagt. Ich konnte ihr nichts recht machen, aber alles, was meine Brüder taten, war gut oder irgendwie zu rechtfertigen.
Dem Vater ist im Spital die Krankenschwester entgegengekommen und hat gesagt: «Sie brauchen sich keine Sorgen um die Tochter zu machen, ich nehme sie. Ich habe noch nie ein so schönes Kind gesehen. Ihre Frau will sie nicht.» Aber der Vater war verliebt in mich. (Zit. n. Schützenhöfer 2004, S. 106).
Sie war auch hart zu ihm (dem Bruder), aber im Endeffekt hat sie alles getan für ihn. Sie hat alles durchgehen lassen. (Ebd., S. 106)
Auffallend häufig sind es auch heute noch Töchter, die von ablehnenden, lieblosen Müttern und der Bevorzugung der Söhne berichten, obwohl diese nicht mehr Haus und Hof, Namen und Besitz der Familie erhalten, das mütterliche Prestige
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