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Muetter ohne Liebe

Muetter ohne Liebe

Titel: Muetter ohne Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Gschwend
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sein können. Ich war eine Frau, die daran gewöhnt war, einer Frage oder einer Neigung bis zu ihrem logischen Schluss nachzugehen. Ich war daran gewöhnt, Zeit zum Nachdenken zu haben, war an Freiheit gewöhnt. Ich habe mich gefühlt wie eine Geisel. Kannst du nicht verstehen, wie verzweifelt ich war?» […] «So sind kleine Kinder nun mal. Was hast du denn gedacht? Dass du und ich uns über Joseph Brodsky austauschen könnten?» Sie setzte sich auf, schlug die Beine übereinander und legte die Hände auf die Knie. «Ich hatte gedacht, dass Klaus und ich bis ans Ende unserer Tage glücklich zusammenleben würden. Adam und Eva in einer weinüberwucherten Hütte. Ich war nicht ganz bei Sinnen.» «Du warst in ihn verliebt.» «Ja, ich war in ihn verliebt, schon gut!» schrie sie mich an. «Ich war in ihn verliebt, und zu unserem Glück fehlte uns nur noch ein Baby und all der ganze Kram, und dann bekamen wir dich, und ich wachte eines Morgens auf und war mit einem schwachen, selbstsüchtigen Mann verheiratet und konnte ihn nicht mehr ausstehen. Und du, du wolltest immer nur, wolltest, wolltest. Mami, Mami, Mami, bis ich dachte, ich würde dich noch an die Wand schleudern.» Mir war schlecht. Ich hatte keine Schwierigkeiten, ihr zu glauben, mir die Situation vorzustellen. Ich sah alles viel zu deutlich […] «Also hast du mich da zurückgelassen.»
    «Ich hatte es nicht wirklich geplant. Ich habe dich nur für den Nachmittag bei ihr abgegeben, um mit ein paar Freunden an den Strand zu gehen. Dann ergab eins das andere; sie hatten ein paar Freunde unten in Ensanada, und ich fuhr mit – und es war ein wundervolles Gefühl, Astrid. Endlich frei zu sein. Du kannst es dir gar nicht vorstellen. Allein ins Badezimmer zu gehen. Ein Nickerchen am Nachmittag zu halten. Den ganzen Tag lang mit einem Mann zu schlafen, wenn ich wollte; am Strand spazieren zu gehen und nicht die ganze Zeit denken zu müssen: Wo ist Astrid? Was macht Astrid? Was wird sie als nächstes wieder anstellen? Und dich nicht die ganze Zeit an mir kleben zu haben, Mami, Mami, Mami, dich nicht wie eine Spinne an mir hängen zu haben…» Sie schauderte. Sie erinnerte sich immer noch voller Widerwillen an meine Berührung. Mir wurde ganz schwindlig vor Hass. Das war meine Mutter […] Wie hätte ich je eine Chance haben sollen? «Wie lange warst du weg?» Meine Stimme klang mir schal und tot in den Ohren. «Ein Jahr», sagte sie ruhig. «Ein paar Monate mehr oder weniger.» Und ich glaubte ihr. Alles in meinem Körper sagte mir, dass es stimmte. (Fitch 2000, S. 488f.)
    Diese Textpassage stammt aus dem Roman «Weißer Oleander» von Janet Fitch. Das Buch könnte manches Lehrbuch ersetzen, wenn man sich für Mütterfragen interessiert. Es handelt vom Großwerden eines Mädchens, das von frühester Kindheit an überwiegend bei Pflegemüttern aufwuchs. Im Verlauf der Geschichte lernen wir so auf höchst anschauliche, gut recherchierte und lebensechte Art eine ganze Palette verschiedener Mutter-Typen kennen: gleichgültige, vernachlässigende Mütter, neidische und eifersüchtige Mütter, egozentrische Mütter, machthungrige und ausbeutende Mütter und auch ein paar wenige liebevolle und fürsorgliche Muttergestalten. Im angeführten Zitat wird deutlich, was eine solipsistische Persönlichkeit ist. Es handelt sich um einen Menschen, der aufrichtig und besonders ausgeprägt glaubt, alles drehe sich nur um ihn. Er ist nicht speziell böswillig, kommt aber gar nicht auf die Idee, dass eine andere Person auch Beachtung und Aufmerksamkeit braucht. Seine ausgeprägte Selbst-Zentrierung lässt ihn gleichgültig gegen die Interessen, Bedürfnisse und Gefühle anderer Menschen werden. Es liegt nicht im Charakter und in der Persönlichkeitsstruktur solcher Menschen, sich überhaupt und schon gar nicht rücksichtsvoll auf andere zu beziehen. Auch hierzu zwei Zitate aus dem «richtigen Leben» von Müttern und Kindern:
    Wenn wir mal miteinander gesprochen haben, ging es immer nur um sie selber. Nie um mich.
    Sie nahm keine Rücksicht auf andere. Auf nichts und niemanden und schon gar nicht auf ihre Kinder. Sie kam und ging, wann sie es für richtig hielt, sie ließ sich durch den Fakt, dass sie Mutter war, nicht beeindrucken.
    Es gibt Menschen, und zwar Frauen wie Männer, die kein Bedürfnis und keine Gabe zu fürsorglichem Verhalten anderen Geschöpfen gegenüber haben, seien das nun Pflanzen, Haustiere oder Kinder. Der Muttermythos verhindert wahrzunehmen: Es gibt Frauen,

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