Muetter ohne Liebe
hinaus anstrengen.
3.3.2 Körperliche Entfremdung
Charakteristisch ist auch ein mangelndes Gefühl für den eigenen Körper, in dem man nicht wirklich zu Hause ist. Viele Kinder von Müttern, die körperliche Nähe zu ihnen ablehnten und vermieden, schildern ihre tiefe Überzeugung, körperlich abstoßend zu sein, oder den Eindruck, sich in ihrem Körper nicht zu spüren. Sie müssen doch körperlich abstoßend sein, denn sonst hätte die Mutter ja das Bedürfnis gehabt, sie zu berühren. Fremd und unwirklich fühlt sich ein Körper an, der nicht gehalten und nicht berührt wurde. Ich erinnere mich an das eindrückliche Beispiel einer schwangeren Patientin, die immer wieder in großer Sorge war, ob es dem Kind gut ginge. Sie meinte, ein «schlechtes Körpergefühl» zu haben, weshalb sie es sicher gar nicht merken würde, wenn etwas in ihrer Schwangerschaft nicht stimmte. Bei ihnen sei sowieso grundsätzlich der Ehemann für das «Bauchgefühl» zuständig. Wenn sie Angst habe, zum Beispiel, wenn sich das Baby eine Zeit lang nicht bewege, frage sie einfach ihren Mann nach seinem Bauchgefühl. Und wenn der ihr versichere, dass alles in Ordnung sei, dann sei sie beruhigt.
Eine andere, sehr elegante und gepflegte Patientin befürchtete, in der Gegenwart anderer Menschen immer unangenehm zu riechen, egal wie sehr sie sich säuberte und pflegte. Wieder eine andere junge Frau betrieb von Kindheit an Leistungssport, peitschte ihren Körper rücksichtslos von Leistung zu Leistung, von Sieg zu Sieg. Sie tat dies, um die Aufmerksamkeit und Anerkennung ihrer ablehnenden, gefühlskalten Mutter zu finden – was ihr nicht gelang. Mit Mitte zwanzig hatte sie ernsthaft e körperliche Verschleißerscheinungen und konnte auch ihren Sport nicht mehr ausüben. Sie entdeckte dann Yoga für sich, was eine Offenbarung für sie war. Zum ersten Mal fühlte sie ihren Körper und spürte sich in ihm. Rückblickend meinte sie, früher sei ihr Körper für sie eher ein «Ding» gewesen, eine Art Maschine, über die man beliebig verfügen könne. Die verschiedenen Beispiele spiegeln das entfremdete, lieblose Verhältnis zum eigenen Körper, das Kindern körperlich zurückweisender Mütter zu eigen ist.
3.3.3 Einsamkeit und emotionaler Hunger
Emotionale Waisenkinder mussten lernen, sich auf sich selber zu verlassen und sich selbst zu versorgen. Andere Menschen werden als nicht verlässlich, vertrauenswürdig oder hilfreich wahrgenommen.
Es braucht lange, bis ich so viel Vertrauen habe, jemanden an mich heran zu lassen.
Ich bin misstrauisch den Motiven von Menschen gegenüber, die sich mir nähern. Ich kann eigentlich nicht glauben, dass mich jemand mag oder schätzt.
Es geht doch gar nicht um mich. Die laden mich sicher nur aus Höflichkeit ein.
Das sind typische Aussagen emotionaler Waisenkinder, die nicht das Gefühl haben, von anderen wirklich erwünscht und geschätzt zu sein. Da sie sich «falsch» und unwürdig fühlen, haben sie häufig die tiefe innere Überzeugung:
Wenn die anderen mich richtig kennen würden, würden sie erkennen, wie abstoßend ich bin.
So fühlen sie sich häufig auch unter Menschen «ausgestoßen», nicht zugehörig, einsam. Die brisante Kombination von Vertrauensverlust, der großen und ungestillten Sehnsucht nach körperlicher und seelischer Berührung bei gleichzeitiger Gefühlsabwehr und Berührungsvermeidung stellt eine schwierige Situation für die Betroffenen dar. Das Verhältnis zu seelischer und körperlicher Nähe zu anderen Menschen wird dadurch kompliziert und zwiespältig. Der Gefühls- und Körperpanzer, der sich entwickelt hat, ist zwar vertraut und bietet Sicherheit, die Betroffenen leiden aber auch sehr unter ihm.
Ich umarme nicht gerne. Überhaupt mag ich es nicht, wenn Menschen mir körperlich nah komme.
So beschrieb sich eine Patientin am Anfang ihrer Therapie. Dieser Ablehnung und der Bedrohlichkeit von Nähe stand aber auch eine große Sehnsucht nach seelischer und körperlicher Nähe gegenüber. Häufig führt diese zwiespältige Situation zu extremen, widersprüchlichen Einstellungen und Verhaltensweisen anderen gegenüber. Einerseits werden Menschen, wenn sie Zeichen von Interesse und Zuneigung zeigen, sehr idealisiert. Dieselbe Patientin stellte fest:
Wenn jemand mir nur ein bisschen Aufmerksamkeit und Zuneigung entgegenbringt, bin ich ausgeliefert und sofort bereit, alles für ihn zu tun.
Sie lebte seit langer Zeit in einer Beziehung, in der sich die Partnerin genauso
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