MUH!
genau gehört, und mir wurde innerlich ganz kalt. Leise fragte ich den Kater: «Ist Schnitzel etwas Ähnliches wie dieses Hackefleische?»
Giacomo sah mich nur traurig an.
Das war auch eine Antwort.
Ich übergab mich erneut.
Und Giacomo jaulte auf: «Mamma mia, dieses Mal du mich haste getroffe!»
Während der Kater trotz seines verletzten Beines in unseren Wassertrog hüpfte, um sich zu waschen, richtete ich mich wieder auf, ging zu dem Trog und fragte ihn erneut: «Kannst du mich nach Indien bringen?»
Er zögerte: «Es iste gefährlich!»
«Gefährlicher als hier? Wo ich morgen ein Schnitzel werde? Was immer das auch ist.»
«Das iste eine …»
«DAS WILL ICH GAR NICHT SO GENAU WISSEN!»
Giacomo überlegte kurz, dann antwortete er: «Ich in tiefe Schuld bei dir stehe. Du habe gerettete meine Lebe. Und die indianische Katzen sage: ‹Wenn du habe meine Lebe gerettete, dann meine Lebe gehöre dir, bis Schuld ist abgetrage.›»
«Indianische Katzen? Sind das die, die in Indien leben?»
Giacomo seufzte: «Ich dir werde auf der Reise alles erkläre.»
Eine Reise. Ich würde wirklich auf eine Reise gehen. Eine ohne Wiederkehr.
Ich blickte mich im Stall um. Als ich die leeren Boxen sah, wurde mir klar: Nicht nur ich musste gerettet werden, sondern auch Hilde und Radieschen. Ich durfte doch meine besten Freundinnen nicht einfach ihrem Schicksal überlassen!
Ja, eigentlich mussten alle Kühe vor diesem schrecklichen Tode gerettet und nach Indien gebracht werden. Auch Champion. Und Pups-Onkel. Und selbst – ob es mir gefiel oder nicht – Susi.
Obwohl: Man konnte es mit dem Retten auch übertreiben.
Kapitel 9
«Lolle, niemand wird mit dir kommen, weil dir niemand glauben wird», erklärte Hilde, nachdem die Kühe abends endlich von der Weide in den Stall gekommen waren und ich vor meiner Box meinen beiden besten Freundinnen berichtet hatte, dass die Menschen uns aufessen.
«Glaubst du mir denn?», wollte ich von Hilde wissen, während Radieschen neben uns noch fleißig damit beschäftigt war, sich zu übergeben.
«Es ist doch egal, was ich denke», antwortete Hilde ausweichend. «Niemand wird hier sein Leben aufgeben und den Hof verlassen, nur weil du ihnen so eine Geschichte erzählst.»
«Sie müssen es aber!», insistierte ich und ging, ohne weiter zu diskutieren, in die Mitte des Stalles, wo mich alle Kühe von ihren Boxen aus sehen konnten.
«Hört alle her!», rief ich ihnen zu.
Aber niemand hörte her, alle knabberten stumpf weiter an ihrem Stroh.
«Ich habe euch etwas Wichtiges zu sagen!»
Sie knabberten weiter, ohne auch nur aufzublicken.
«HÖRT MIR VERDAMMTE KACKE DOCH MAL ENDLICH ZU, IHR BLÖDEN KÜHE!»
Die Kühe hörten jetzt auf zu mümmeln, hoben ihre Köpfe und sahen mich sauer an.
Hilde grinste: «Mensch, du kannst ja echt charmant die Leute für dich gewinnen!»
Die bösen Blicke aus der Herde schüchterten mich ein bisschen ein, doch ich riss mich zusammen. Hier ging es nicht darum, gemocht zu werden. Hier ging es um Leben und Tod. Tapfer verkündete ich die Wahrheit, die da lautete: «Wir sollen morgen alle sterben. Der Bauer wird uns umbringen und dann alle verspeisen.»
Die Herde schaute mich an, als wäre ich ein paarmal zu oft gegen das Gatter gerannt.
«Aber es gibt eine Rettung», redete ich weiter. «Da draußen gibt es ein Land, in das wir fliehen können. Ein Land, in dem wir alle glücklich leben können. Dieses Land heißt Indien, und dort werden die Kühe von den Menschen wie eine Gottheit verehrt.»
Dass die Stiere dort nicht so viel zählten wie hier, behielt ich lieber für mich, damit die Männer nicht gleich frustriert waren, wenn die Frauen auf diese Nachricht hin allzu sehr jubelten.
«Es wird eine harte beschwerliche Reise …»
Dass sie womöglich drei Tage dauern würde und das Land namens Indien sich vielleicht sogar in der Nähe der Bäume am Ende der Welt befinden könnte, behielt ich auch lieber für mich. Und dass man die Reise möglicherweise nicht überleben würde, weil so viele Gefahren drohten, natürlich erst recht.
«… aber etwas Besseres als den Tod finden wir überall!»
Als ich zum Schluss meiner kleinen Rede gekommen war, starrten mich alle erst mal einfach nur an. Mit einem Mal fühlte ich eine Riesenverantwortung auf mir lasten: Ich würde die ganze Herde von diesem Hof führen, in ein besseres Leben. Oder ins Verderben. Eins von beidem. Mir stockte der Atem, und ich spürte einen unglaublichen Druck auf meiner Brust, als
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