MUH!
Susi, die zu erschöpft war, um Nettigkeiten anzunehmen. Oder einfach nur einen viel zu schlechten Charakter dafür besaß.
Radieschen zögerte einen Moment mit der Antwort.
«Was?», hakte Susi nach. «Willst du etwa keinen Stier?»
Radieschen trat nun unsicher von einem Fuß auf den anderen, rang mit einem Male sehr mit sich und erklärte schließlich: «Ich muss euch ein Geständnis machen.»
Wir alle hörten erstaunt auf zu grasen.
«Ich hatte euch ja gestern Nacht nicht von meinem Traum erzählt …»
«Och», unterbrach Susi kiebig, «das macht rein gar nichts.»
Radieschen traf dies, aber im Gegensatz zu gestern ließ sie sich diesmal nicht beirren und redete weiter: «Ich will euch sagen, was mein Traum ist, aber …»
Jetzt zögerte sie, und ich fragte nach: «Aber?»
«Ich kann es nicht sagen.»
«Das macht auch nichts», fand Susi.
«Aber ich kann was anderes machen!», erklärte Radieschen.
«Die Klappe halten?», fragte Susi hoffnungsfroh.
«Eine Fähigkeit», stichelte Hilde, «die dir leider nicht gegeben ist.»
Susi verzog das Gesicht.
«Ich kann», verkündete Radieschen, «singen, was mir auf dem Herzen liegt!»
«Ihr Kühe», lachte der Kater, «seide wirklich alle muhsikalisch.»
Und Radieschen begann zu singen:
I wanna be loved by Kuh,
just Kuh, nobody else but Kuh
Dabei bewegte sie sich sehr kokett. Jedenfalls so kokett, wie es einer Kuh von Natur aus gegeben ist:
I wanna be loved by Kuh, alone.
Puh, puh, bi duh
«Ach du meine Güte!», begriff Susi als Erste, was da gesungen wurde, und rückte von Radieschen ab. «Du bist eine Kuhliebhaberin!»
«Da man dann doch müsse staune», fand Giacomo.
Ich staunte mit, auf eine entgeisterte Art: Mein Radieschen, die ich seit der Kindheit kannte, stand nicht auf Stiere, sondern auf Kühe?
Während wir so staunten, tanzte Radieschen süße kleine Schrittfolgen mit ihren Vorderfüßen und sang dabei niedlich weiter:
I wanna be loved by Kuh,
just Kuh, nobody else but Kuh.
I wanna be loved by Kuh, alone.
Paah didel-dideli-dideli-dam, puh, puh, bi duh!
Nach dem «puh, puh, bi duh» hauchte Radieschen uns noch mit ihrer großen schwarzen Schnauze einen koketten Kuss zu. Danach sah sie uns erwartungsvoll an: Sie hatte ihr größtes Geheimnis preisgegeben und war dadurch ganz elektrisiert. Aber auch ein bisschen ängstlich, wie wir es wohl verdauen würden.
Wir verdauten es erst mal gar nicht und schwiegen.
Je länger das Schweigen anhielt, desto nervöser wurde Radieschen. Sie mahlte mit ihrem Kiefer, bis sie es einfach nicht mehr aushalten konnte: «Kommt schon, sagt was!»
Hilde antwortete konsterniert: «Paah didel-dideli-dideli-dam.»
Ich ergänzte, nicht minder durcheinander: «Ich möchte dem noch ein Puh, puh, bi duh hinzufügen.»
Radieschen musste mit einem Male lachen: «Ihr müsst keine Angst haben, ich steh nicht auf euch.»
«Warum das denn nicht?», erwiderte Hilde gespielt empört. Nach der ersten Verblüffung musste sie jetzt auch grinsen. Radieschens Lachen hatte die Anspannung, die in der Luft lag, etwas gebrochen. Und Hilde kam mit der Eröffnung jetzt am besten klar. Als Außenseiterin hatte sie nicht so ein Problem damit, wenn jemand anderes anders war.
Ganz im Gegensatz zu Susi, die schnaubte: «Jetzt ist es endgültig klar: Ich bin nur mit Irren unterwegs.»
Darauf ging sie ein paar Schritte von uns weg, sie wollte Abstand zu Radieschen bekommen. Susi gehörte offensichtlich zu den vielen Kühen, die was gegen Kuhliebhaberinnen hatten. Wer als Weibchen eine Kuh begehrte, hatte in einer Herde fast so einen schweren Stand wie Stiere, die Stiere lieben, oder Stiere, die auf Hühner standen.
Ich hingegen ärgerte mich über mich selber: Eigentlich hätte ich doch genauso locker mit Radieschens Sehnsucht umgehen müssen wie Hilde, hatte ich doch nichts gegen Kuhliebhaberinnen. Ich hatte nie an den Spruch geglaubt, den die Alten oft sagten: «Kuh auf Kuh, das gibt Schmuh!»
Dennoch war ich von Radieschens Eröffnung schwer durcheinander, oder besser gesagt: Ich war verletzt. Verletzt, weil sie mir erst jetzt, auf der Flucht, am Rande eines Parkplatzes, gestanden hatte, wonach sie sich sehnte. Dabei kannten wir uns doch schon, seitdem wir kleine Kälber waren. Wie lange hätte sie gewartet, damit herauszurücken, wenn wir auf dem Hof geblieben wären? Hätte sie es mir überhaupt je erzählt? Warum hatte Radieschen mir nicht vertraut?
In meinem Beckenbereich spürte ich prompt wieder das Ziehen.
Radieschen ging
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