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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Hinrichs
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– ne obgonjaj _! ‹Nicht sicher – nicht überhole› = ‹Wenn du dir nicht sicher bist, ( dass die Situation OK ist ) überhole nicht!›.
    Warum haben die Russen sich über ihre Umgangssprache sozusagen ‹ihre eigene Sprache› geschaffen? Bis heute gibt es keine allgemein akzeptierte Theorie. Vielleicht war während der Herrschaft des Kommunismus der Druck der Propaganda zu groß geworden und hat eine Gegenbewegung provoziert: nämlich eine Art inoffiziöser, ungezwungener und spontaner Privatsprache, die das Volk unter sich entwickelt und kultiviert hat. Möglich ist es; beweisen kann man es nicht.
    Bei den Russen kommen also zwei wichtige Vorprägungen zusammen:
    Erstens sind sie in ein Sprachsystem hineingeboren, das nicht unbedingt europäischen Idealzustand hat, sondern in vielem ‹uneuropäisch› ist. Dies muss im Kontakt mit dem Deutschen Ruptionen eigener Art auslösen.
    Zweitens sind sie im Modus Sprechsprache eingestellt auf Abweichung und darauf, dass ‹Fehler› nicht sanktioniert werden, sondern für eine ‹intime›, effektive Kommunikation sogar ‹nötig› sind. Und wenn das im großen Russischen schon so einfach ist: Warum sollte man es nicht – wo es geht – auch ins Deutsche übertragen?
Zum russischen Wortschatz
    Wie in jeder Sprache gibt es auch im Russischen viele Schichten von Lehnwörtern, die sich im Laufe der Geschichte herausgebildet haben. Es finden sich alte Wörter aus dem Finnischen, Griechischen, Altbulgarischen, Tatarischen und neue aus dem Holländischen, Französischen und Deutschen. Gegenüber Fremdwörtern überhaupt verhält sich das Russische traditionell tolerant, und in Zeiten der Globalisierung integriert es – wie fast alle anderen Sprachen auch – immer neue Anglizismen vom Typ biznes, imidž, suÅ¡i-bar, Å¡op-tur, autsajder usw.
    Von Aeroflot bis Zar sind bis heute insgesamt 222 allgemein bekannte russische Wörter ins Deutsche gedrungen (Oschlies 2011), also mehr als türkische oder arabische. Viele waren politisch gefärbt und sind heute eher folkloristisch: Bolschewik, Kolchose, MatrjoÅ¡ka (‹eine Art Steckpuppe›), Pogrom, Steppe, Sputnik, Wodka, Trojka, Soljanka, Zobel . Geläufig sind auch Rubel, Kopeke, Kosmonaut . Neue Lehnwörter, die sich über die ganze Welt verbreitet haben, sind Perestrojka und Glásnost . In der früheren DDR gab es zudem eine Unmenge an Floskeln, die aus dem Russischen (Zeitungssprache, Politjargon) direkt ins DDR-Deutsche kopiert wurden und die heute eher ironisch gebraucht werden: Haus der Kulturen, ruhmreiche Errungenschaften, unverbrüchliche Völkerfreundschaft, fruchtbare Zusammenarbeit etc.
Shining a light on: Migrantensprache Russisch
    Unter den Migrantensprachen ist Russisch, neben dem Arabischen, die einzige Weltsprache. Nach neuesten Berechnungen hat Russisch als Migrantensprache (der Aussiedler) in Deutschland mit Türkisch gleichgezogen. «Russisch ist in Deutschland mit rund 3 Millionen Sprechern die derzeit meistgesprochene Migrantensprache.» (Anstatt 2008, 1) Russisch hat vielleicht die höchste ‹Vitalität› im deutschen Sprachraum. Die russische community ist sozial eher unauffällig, trotzdem aber karriereorientiert. Das Russische mag im deutschen Sprachen-Gefüge so etwas wie den flektierenden Gegenpart zum agglutinierenden Türkisch spielen. Die Umgangssprache weicht vom Standard erheblich ab und stärkt dadurch in der Zweisprachigkeit den Faktor Antinorm im Neudeutschen.
    Das russische Sprachgefühl ist von zwei Polen bestimmt: Der strenge Formenreichtum der Hochsprache steht den enormen Abweichungen der Umgangssprache gegenüber. Es ist von daher auf das Fehlen von Satzteilen eingestellt: Es hat keinen Artikel, meist keine ‹Kopula› und viele exotische Züge. Trifft ein Russe auf das Phänomen (im Deutschen), dass die Sprechsprache in vielem von der hochsprachlichen Grammatik abweicht, ist das für ihn so etwas wie der Normalfall.

8. PORTRAIT JUGOSLAVISCH
    Fokus. Größte südslavische Sprache. Linguistisch eine Sprache, politisch drei Sprachen: Serbisch, Kroatisch, Bosnisch. Alte Verbundenheit mit Deutschland. Flektierender Typus mit vielen Kasus. Ton-Akzent. Polyzentrische Sprache; bis 1989 auch außerhalb Jugoslaviens in Südosteuropa weithin verständlich (‹balkanische Lingua Franca

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