Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert
(â¹Kiezdeutschâº)
die deutsche Standardumgangssprache, sofern sie von zweisprachigen Sprechern mit Migrationshintergrund gesprochen wird.
In den Abschnitten 17â20 wird später das Deutsch der Migranten exemplarisch vorgestellt, soweit es in Texten oder verschrifteten Aufnahmen vorliegt. â¹Migrantendeutsch⺠wird dort weiter aufgefächert in â¹Türkisch-Deutschâº, â¹Russisch-Deutschâº, â¹Jugoslavisch-Deutsch⺠und â¹Kiezdeutsch⺠â je nachdem, welche Migrantensprache beteiligt ist; beim â¹Kiezdeutsch⺠sind es gleich etwa ein halbes Dutzend Sprachen, wenn nicht noch mehr. Die Termini mögen schriftlich noch gewöhnungsbedürftig sein, gerechtfertigt sind sie aber allemal, weil ein groÃer Teil der Texte ja tatsächlich aus zwei Sprachen besteht (â¹Codeswitchingâº).
Die Wahl der vier Sorten â¹Migrantendeutsch⺠bedeutet zuallererst, dass wir für diese vier groÃen â¹Ethnolekte⺠genügend Texte haben, die einigermaÃen valide sind, wo man auswählen und eine gezielte Analyse wagen kann. Für andere Ethnien ist es schwieriger, weil keine Texte vorliegen, die man mit einiger Berechtigung Araberdeutsch, Kurdendeutsch, Albanodeutsch oder Polendeutsch (oder so ähnlich) nennen könnte. Gleichzeitig hat die Reihenfolge eine Bedeutung: Sie bedeutet, dass für Türkisch-Deutsch und Russisch-Deutsch mit Abstand die meisten Textevorliegen, für Jugoslavisch-Deutsch immerhin noch einige wenige, für â¹Albanisch-Deutsch⺠und weitere aber gar keine.
Wenn hier die Ausdrücke â¹Türkisch-Deutsch⺠oder â¹Russisch-Deutsch⺠gebraucht werden, werden sie nicht in dem diskriminierenden Sinne von â¹Kanak Sprak⺠oder â¹Balkandeutsch⺠verwendet, wie man es immer noch im Internet antreffen kann. Diese und ähnliche Wortschöpfungen bezeichnen vorläufig: eine Varietät, die von ausgewählten oder repräsentativen Gruppen von Migranten oder Deutschen mit Migrationshintergrund in Deutschland gesprochen wird. Hauptsächlich gilt das für Türken, Russen und Jugoslaven. Und es geht um ein Zeitfenster von 20â30 Jahren â gerechnet von 2013 an rückwärts: Das ist die Zeit, in der die Aufnahmen und Texte gemacht wurden und in der sich die neuesten Enwicklungen, die man heute auf dem Tisch hat, als Output zeigen. Trotzdem müssen wir ab und zu auch auf die 1960er und â70er Jahre zurückblenden, weil die letzten Wurzeln aller Migrantendeutschs in den Anfängen der Migration liegen und manche auffällige Züge bis auf das Gastarbeiterdeutsch zurückgehen können.
â¹Türkisch-Deutschâº, â¹Deutschland-Türkisch⺠und ähnliches sind Begriffe, die die betreffenden Gruppen selbst mit einem neuen Selbstbewusstsein verwenden. Sie sind also wertfrei, auch wenn sie sich nicht sehr politisch-korrekt anhören. Hinter den flotten Etiketten können unterschiedlichste Gruppen stehen, die auch zeitlich aufeinander folgen können. Und nicht jede Gruppe oder Untergruppe, die einmal Gegenstand einer Seminararbeit wurde, kann hier berücksichtigt werden. Es geht also um die groÃe Linie, wobei wir versuchen, uns von dieser Linie nicht ständig und nicht allzuweit zu entfernen.
Mögliche Varianten von Migrantendeutsch
Am Türkischen kann man exemplarisch zeigen, wie viele Varianten von Migrantendeutsch sich für die soziolinguistische Erforschung ergeben können. Mit der Zeit bilden sich hierfür robuste Kriterien heraus, die zumindest theoretisch eine Differenzierung erlauben. Unter â¹Türkisch-Deutsch⺠versammeln sich z.B. die älteren Gastarbeiter, dann die zweite und dritte Generation, die Mannheimer «Powergirls», die sogenannten «Unmündigen» und die sogenannten «Europatürken» â eine bunte Mischung von Gruppen, die auch zeigt, wie sich ein â¹Ethnolekt⺠mit der Zeit ausdifferenzierenkann, abhängig von Integration, Bildung und der Aura des Zeitgeistes. Beleuchten wir das noch etwas genauer:
Hintergrund für alles ist natürlich das traditionelle Türkei-Türkisch in Anatolien, in Ankara oder Istanbul. Und hier unterscheidet schon die türkische Sprachwissenschaft offizielles Standard-Türkisch, die Dialekte, die Istanbuler Norm und das europäische Türkisch in Bulgarien oder Gagausien. Gastarbeiter kamen oft aus Anatolien
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