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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Hinrichs
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Höflichkeitsfloskel‹ her zaman bekliyorum seni › in ihr Deutsch übertragen hatte.
    Arabische Jugendliche sagen in der Kiez-Tagesstätte oft ‹leg mir einen Toast›, ‹leg mir ein Glas Saft› und übertragen die weite Bedeutung von arabisch waá¹­aha ‹legen› einfach ins Deutsche.
    Ein Freund aus Belgrad, der gut Deutsch spricht, sagte mir, als ich ihn besuchte, ‹ich werde dich am Bahnhof warten›, und ich verstand richtig: ‹ich hole dich ab› (jugoslavisch ja ću da te čekam na stanici ).
16. CODESWITCHING
    Ein russisches Beispiel zeigt den Grundtyp des Codeswitching:
    â€“ I mne objazatel’no byla nužna ta Å¡kola, kotoraja ne gimnazii i gde netu gimnaziale oberÅ¡tufe.
    â€¹Und ich brauchte unbedingt diese Schule, die kein richtiges Gymnasium ist und wo es keine gymnasiale Oberstufe gibt.›
    Wenn mehrsprachige Sprecher zwischen zwei Sprachen (‹Codes›) regelmäßig hin- und herwechseln, spricht man von ‹Codeswitching› (CS). Codeswitching ist ein Kernbegriff der sich entwickelnden Migrationslinguistik, der bereits fest etabliert, theoretisch gut fundiert und an Beispielen ausreichend untersucht ist. Deshalb gibt es mittlerweile einen ganzen Strauß von Unterbegriffen und prozeduralen Feinheiten, die wir hier nicht ausbreiten können. (Hier wende man sich an die Arbeiten von Halime Banaz-Aksoy und Peter Auer zum Türkischen, von Aleksandra Goldbach und Tanja Anstatt zum Russischen oder von Wilfried Stölting und Nikolina Pustički zum Jugoslavischen.)
    CS ist zentrales Merkmal einer entwickelten Zweisprachigkeit. So gut wie alle Migrantenvarietäten sind von Codeswitching geprägt, ob nun türkische, russische oder jugoslavische. Deutsche mit Migrationshintergrund, die hier geboren sind und zweisprachig aufgewachsen sind, nutzen alle das CS und sind hier sehr flexibel. Mehr als einmal wurde mir mitgeteilt, dass auch polnische, arabische und albanische Jugendliche diese Methode breit nutzen, z.B. in der Familie; es ist hier aber nichts dokumentiert.
    Im CS kommt die Zweisprachigkeit und die ‹Anderssprachigkeit› zu ihrem klarsten und schärfsten Ausdruck. Türkisches, arabisches oder russisches CS unterscheiden sich nicht sprachlich-substantiell, sondern eher sozial in der Ausführung und Anwendung: wer mit wem, warum, wann und wie switcht. CS ist daher ein universelles Merkmal von Migrantendeutsch und nicht etwa ein typisches Merkmal für einen einzelnen Ethnolekt. CS in zwei- oder mehrsprachigen Milieus ist offenbar das Normale, es ist aber für traditionell einsprachige Gesellschaften durchaus etwas Neues, auch für die deutsche Sprachsituation. Durch CS kommt die ganze Wucht der Zweisprachigkeit zu einem mächtigen Ausdruck, hier ist sie direkt fassbar, hörbar, fühlbar – und dies ist wahrscheinlich der Grund, warum die Forschung hier aktiv zugreift. Geboten und gebraucht wird auch die intensive Kooperation mit Migranten. Dies belegen alle einschlägigen Studien, die oft eine intensive Kooperation und Betreuung zustandebringen.[ 8 ] CS in seiner Grundform ist ohne Zweifel das Lieblingskind der Forschung, was man interpretieren kann als ein gewisses Start-Stadium für die weitere Erforschung des Migrantendeutsch. Das bedeutet aber auch, dass die Verwerfungen des CS und ihre möglichen Auswirkungen auf das gesprochene Deutsche noch nicht wirklich auf dem Forschungshorizont erschienen sind.
    Die Linguistik leuchtet das ganze Umfeld des CS-Gebrauchs in der sprachlichen Mikroperspektive aus: persönliche Motivationen, soziale Intentionen, sprachliche Attitüden, Wirkungen und Auswirkungen auf die mithörende deutsche wie migrantische Umwelt. Man kann durchaus sagen, dass hier bereits ein gewisser Sättigungsgrad erreicht ist. Deshalb mag es für die Ziele dieses Buches den größten Nutzen haben, wenn wir so vorgehen: Wir stellen die essentials zum CS in einer knappen Übersicht dar und bündeln das CS-Grundwissen, weil es für das Verständnis des einschlägigen Sprachwandels im Deutschen nicht ohne Bedeutung sein kann. Zweitens geben wir in den folgenden Kapiteln zum Migrantendeutsch genügend CS-Beispiele aus der Praxis, sodass sich ein hinreichend genaues CS-Bild einstellen mag – auch ohne minutiöse Detailanalysen. Die Beispiele sind den genannten Werken entnommen.
Die sprachlichen Ebenen
    CS kommt auf allen Ebenen der

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