Mum@work: Roman
Kundendienst-Chef Adler, seines Zeichens Leiter dieser unsäglichen Krisensitzung.
»Ja, danke.« Ich klappe meinen Laptop zu.
»Vielleicht können wir jetzt überleiten zu der PR-Strategie, mit der wir die Probleme in den Griff bekommen wollen.«
Um es kurz zu machen: An den Softwarepannen wird mit Hochdruck gearbeitet, bisher jedoch ohne großen Erfolg. Dafür gibt es natürlich unzählige grandiose Strategien, Aktionspläne und so weiter, um die PR-Katastrophe in den Griff zu bekommen. Und alle Mitarbeiter sind unglaublich motiviert und engagiert. Kundendienst-Boss Adler darf auf Bewährung weitermachen.
»Da haben Sie ja ganz schöne Probleme in den Callcentern«, sage ich zu ihm beim Verlassen des Konferenzraums. Diplomatisch, wie ich bin, bemühe ich mich um einen nicht zu mitleidigen Ton.
»Allerdings. Und das, was hier geschildert wurde, war nur die Spitze des Eisbergs.«
Das Ende der Telefonleitung sozusagen.
»Verstehe.«
»Es sind vor allem die Telearbeiterinnen, die mit den Nerven völlig am Ende sind.«
»Ja, das kann ich mir vorstellen.« »Wie bitte?« »Schon gut.«
»Die haben sogar schon eine Selbsthilfegruppe gegründet.«
»Ach, tatsächlich? Das ist ja interessant. Hätten Sie vielleicht eine Kontaktadresse?«
Hermann Adler sieht mich ratlos an. Natürlich hat er noch nicht mitbekommen, dass ich auch eine von denen, also von den Telearbeiterinnen, bin. Ist vielleicht auch besser so. Ich glaube, das BetterMedia-Deutschland-Management hat es auch schon fast vergessen, und wenn Trish nicht zu sehr intrigiert, dann darf ich sicher noch eine Weile in meinem Büroparadies bleiben. Obwohl, Paradies?
»Ja, ich müsste eigentlich eine Adresse dabeihaben«, sagt Kollege Adler und wühlt in seiner Dokumentenmappe. »Man kann natürlich nicht ausschließen, dass die irgendwann mal Ärger machen. Deswegen muss ich da ein Auge drauf haben und ... ah, hier ist sie ja.«
»Vielen Dank! Ich darf mir die doch mal notieren, oder?« »Was wollen Sie denn damit? Die Telearbeitererinnen haben mit der Presse eigentlich nichts zu tun.«
»Das erkläre ich später. Ich hab's jetzt sehr eilig.« »An die Arbeit, was?«
»Genau. Aber vorher muss ich noch den Praktikanten im Assessment-Center abholen.«
Herr Friedberg erwartet mich in meinem Büro - mit einem nicht sehr vorstandsgemäßen Auftritt: Seine Krawatte ist geöffnet, ebenso sein oberster Hemdknopf. Seine Wangen sind gerötet, sein Scheitel hat völlig die Orientierung verloren, und seine Hochglanz-Schuhe sind verschwunden. In Socken liegt er vor meinem Schreibtisch. Ich schließe die Zimmertür.
Auf dem Bauch des Herrn Praktikanten reitet Max, in dessen Gesicht, Händen und Haaren Spuren von mindestens drei Happy Hippo-Snacks zu entdecken sind. Vor Herrn Friedberg ist eine Brio-Eisenbahnlandschaft von der Größe der Schweiz aufgebaut, aus Mäxchens Spielerucksack nebenan ragen noch ein paar Bauteile. Meine Hängeregistratur ist in ihren Einzelteilen auf dem Teppich ausgebreitet und gleicht einer recht gewagten Installation. Moderne Kunst.
»Alles in Ordnung?«, erkundige ich mich.
Scheinheiligkeit ist doch eine Eigenschaft von Führungskräften, ich wusste es schon immer, und ...
»Alles bestens«, stöhnt Herr Friedberg.
... Heuchlerei die Qualität von aufstrebenden Jungmanagern.
»Wo ist denn Mareike?«
Der Praktikant deutet mit den Augen nach oben zum Schreibtisch. Sprechen kann er nicht, denn Max hat ihn gerade mit seiner Chefkrawatte geknebelt.
In diesem Moment erscheint Mareikes Gesicht hinter dem Computerbildschirm - hinter meinem Computerbildschirm. »Hallo, Meiki-Schatz! Wie war's?«
»Super! Wir sind mit deinem Drehstuhl durch den ganzen Flur gefahren!Und wir haben Fahrstuhlwettlauf gespielt. Aber ganz unten, da war so ein doofer Mann, der hat gesagt, das geht nicht, und hat ganz doli mit Benjamin geschimpft.« »Benjamin?«
»Mmm mmm mmm«, presst der Praktikant unter seiner Krawatte hervor.
»Das ist der da«, sagt Mareike und zeigt auf den Praktikanten. »Oh, das tut mir leid. Das war sicher unser Empfangschef. Ich werde das in Ordnung bringen.«
»Mmm mmmm mmmm mmmm.«
»Das wäre sehr nett? Aber klar, ist doch selbstverständlich. Max, jetzt lass doch mal den Herrn Friedberg in Ruhe. Wir gehen jetzt besser nach Hause.«
»Aber wir haben noch kein Eis bekommen!«, protestiert Mareike. »Benjamin wollte uns keins holen.« »Mmmmmm ...«
»Schon gut, schon gut, dann gehen wir eben jetzt Eis essen. Und sie
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