Mum@work: Roman
Frühschichteinsatz heute Morgen um halb sieben und literweise Zuckerguss - zwar schon mindestens zwei Pfund Gummibärchen, aber die Kerze fehlt noch. Die muss ich dringend finden. Der Marmorkuchen ist wenigstens schon mal halbwegs fertig. Am besten, den stelle ich jetzt schon mal auf die Kuchenpia... huch, o nein!
Der Marmorkuchen ist mir direkt aus der Form auf den Küchenboden gerutscht. Das Ergebnis: jede Menge Marmorstreusel vor meinen Füßen.
»Kann ich dir helfen?«, flötet Cordula, die mal wieder den passendsten Moment für ihren Auftritt gewählt hat.
»Äh ... nein, eigentlich nicht. Ich muss das hier nur mal schnell wegfegen und mich dann um die Schwarzwälder Kirsch und den Geburtstagskuchen kümmern.«
»Wieso wegfegen?«, fragt Cordula, wie immer in einem Outfit, das einen unmittelbar an Weihnachtsbäume denken lässt. Sie trägt derart viel Schmuck, dass man die merkwürdigen Schleifen und Rüschen an ihrer Tunika schon fast nicht mehr sieht. Sie ist eine echte Schleifen-Rüschen-Klunker-Fetischistin. Eigentlich müsste sie ein interessanter Fall für jeden Psychologen sein. Schade, dass ich sie nicht persönlich einweisen kann. Selbst die kleine Charlotte sieht schon aus wie ein Geschenkpaket - und die kann sich noch nicht einmal wehren.
Die bisherige Krönung war allerdings noch Cordulas eigener Auftritt an Weihnachten, als sie mit Charlotte hochschwanger war. Da hatte sie sich eine riesige Schleife um den nicht minder riesigen Bauch gebunden und glich wirklich unglaublich einem Osterei. Leicht in der Saison geirrt.
»Wieso solltest du den Kuchen wegfegen? Den kann man doch noch essen, der Boden ist diesmal blitzsauber, das sehe ich doch. Fast so wie bei mir.«
Hm. Diesmal? Fast? Das muss ich unbedingt unserer Putzfrau berichten, dass sie fast den Perfektionsgrad von Cordula erreicht hat. »Na ja, wie du meinst.«
Während ich noch überlege, ob das irgendeine Falle von Cordula sein könnte, sammele ich doch schon mal die größten und damit noch am ehesten brauchbaren Kuchenstücke auf und drapiere sie auf der Kuchenplatte. Die drücke ich Cordula in die Hand.
»Wäre nett, wenn du die schon mal reinbringen könntest. Danke.«
Raus mit dir.
»Aber, ich kann dir auch noch mehr helfen.« O nein, alles - nur nicht das.
»Nein, lass mal, ich mach das schon. Kümmer dich doch lieber um Charlie und Henri.«
»Meine Tochter heißt nicht Charlie! Sie heißt Schah-lott und du weißt, ich hab's lieber, wenn man Onrie sagt. Also halt dich da bitte dran. Onrie ist immerhin schon fast zehn Jahre alt, da legen Kinder Wert darauf, richtig angesprochen zu werden.«
Wie lange hat das nun gedauert, zwei Minuten? Gar nicht schlecht, sonst schaffen wir es auch binnen zwei Sekunden, unserer grenzenlosen Sympathie füreinander Ausdruck zu verleihen. Es verspricht also ein harmonischer Geburtstag zu werden.
Gegen Cordula ist Beate von nebenan eine echte Rabenmutter. Cordula ist nämlich die Vorzeigemutter überhaupt. Henri und Charlie sind einfach immer und überall die Besten, das ist klar, und alles nur deshalb, weil ihre Mutter vierundzwanzig Stunden in ihrem Dienst unterwegs ist - sagt jedenfalls Cordula. Aber das mache sie doch gern, nein, ihre eigenen Interessen könnten durchaus warten, ein gewisses Opfer müsse man schon bringen, schließlich gehören Kinder nun einmal zu ihren Müttern.
Sebastian, mein Bruder, hat Cordula noch während ihrer Lehre bei der Bank wegrationalisiert - und geheiratet. Er ist Unternehmensberater bei McFlimsy und hat diesen Job damals sehr ernst genommen. Inzwischen zeigt er eine gewisse Karrieremüdigkeit, was ihm nach fünf Jahren 80-Stunden-Woche auch nicht zu verdenken ist. Vielleicht auch ein Kandidat für eine verspätete Elternzeit? Cordula müsste dann wohl mal ran. Ich glaube, das werde ich nachher vorschlagen, damit die Stimmung auch so richtig gut bleibt.
»Na, was schmiedest du für Pläne?«, brüllt mein Vater gegen den Mixer an, mit dem ich versuche, die Sahne in einen tortenkompatiblen Zustand zu verwandeln.
»Hallo, Papa, woher weißt du, dass ich überhaupt Pläne schmiede?«
»Ich kenne dich doch, du hast so unternehmungslustig gelächelt -sicher nicht wegen der Sahne«, schreit er. »Nun mach doch diesen Mixer mal aus.«
Auch mein Vater scheint das Rentnerdasein im Süden Frankreichs zu genießen. Ebenfalls natur-braungebrannt, wie es sich im November in Hamburg eigentlich nicht gehört, und schwer in Form. Er sieht ein bisschen aus wie Uli
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