Mum@work: Roman
Firmensitz von BetterMedia an der Außenalster. Immer mehr Menschen schließen sich der regelrechten Belagerung der Firma an. Nach Angaben der Organisatoren, den globalisierungskritischen Software Slaves, haben sich bereits fünfhundert Menschen den Protesten angeschlossen; sie harren auch nachts in der Kälte vor der BetterMedia-Zentrale aus. Die Polizei geht von etwa dreihundert Demonstranten aus, während BetterMedia-SprecherinKatharina Stein von lediglich hundertfünfzig Menschen vor dem BetterMedia-Tor sprach.
Unterdessen verschlechterte sich der Gesundheitszustand der zwanzig Hungerstreikenden weiter. »Vor allem die Kälte macht ihnen zu schaffen«, sagte ein Vertreter des Roten Kreuzes, das mit einem Krankenwagen nahe dem Protestlager im Einsatz ist. Ein Sprecher der Software Slaves zeigte sich jedoch entschlossen, den Hungerstreik fort-zusetzen. »Unser Leiden ist nichts gegen das der Programmiersklaven in Indien. Erst muss BetterMedia grundlegend seine Firmenpolitik ändern, dann sind wir verhandlungsbereit. Nieder mit dem Kapital!«
Date: 14. Dezember
To: BetterMedia-Germany-Management
From: Katharina Stein, Head of German PR
Re: Mum@Work
Angesichts der neuen Probleme bei Mum@Work, dem gestörten Kundenverhältnis zu QUICKSHOP und dem Image-Schaden durch die hungernden Demonstranten halte ich eine sofortige Krisensitzung für dringend notwendig. Teilnahme der IT-Abteilung, der Kundenbetreuung und der Rechtsabteilung sind unabdingbar. Bitte um Organisation der Sitzung.
Katharina Stein, Head of German PR
Message for BetterMedia Germany from Management on Dec 14: Krisensitzung heute Nachmittag, 15:00 Uhr, großer Konferenzsaal. Anwesenheit der kompletten Belegschaft Pflicht. Management in US-Zentrale wird per Webkonferenz zugeschaltet.
»Che? Hallo, hier Katharina Stein. Könnten Sie heute eventuell mit Max zusammen Mareike vom Kindergarten abholen? Nur ausnahmsweise.«
»Und dann?«
»Also ... vielleicht noch ein, zwei Stunden mit ihnen bei uns zu Hause bleiben?«
»Ich kann heute keine Überstunden machen. Wichtiger Termin am Nachmittag.«
»Aber es würde mir wirklich sehr helfen. Mein Mann ist heute den ganzen Nachmittag im Völkerkundemuseum, um den Kongress vorzubereiten. Ich kann ihn überhaupt nicht erreichen. Und ich habe selbst einen unvorhergesehenen Termin.«
»Ich kann nicht. Spätestens um fünf muss ich weg. Mindestens bis um sieben.«
»Wo gehen Sie denn hin, wenn ich mir die Frage erlauben darf?« Kiffer-Kaffee, Bach Seminar, Che-Doppelgänger-Wettbewerb? »Ich habe eine Verabredung an der Alster.« »Wie? Ein Spaziergang oder so ähnlich?« »Ja, genau.«
Frische Luft kann eigentlich nicht schaden.
»Und wenn Sie Max und Mareike einfach mitnehmen?«
»Hm. Na gut, das kann ich machen.«
»Danke, Che. Das hilft mir wirklich ungemein.«
»Aber Sie müssen unbedingt beim Kindergarten Bescheid sagen, damit die mir Mareike vor die Tür bringen. Ich gehe da nicht mehr rein. Unterdrückerbande. Kapitalistenschweine.«
»Ja, ist okay. Mache ich. Und Sie bringen Max und Mareike dann so gegen sieben wieder nach Hause?«
»Ja, mache ich.«
Heikle Sache. Aber irgendwie vertraue ich Che, dass er sich gut um meine Kleinen kümmert, egal was er sonst vorhat. Aber Meiki muss ich unbedingt ins Gewissen reden, dass sie Beate und Patrick und Oma und Opa nicht von der Aktion erzählt.
Zu spät. Die Krisensitzung in der Zentrale in Hamburg kam eindeutig zu spät. Das einzige Ergebnis des eineinhalbstündigen Treffens war, dass dem Management in Chicago langsam die Geduld ausgeht. Sie kommen! Alle Wichtigen: Fred, Trish, Randy, diesmal wirklich persönlichplus Gefolge. Nach Deutschland - schon in einer Woche. Dann soll es erst eine Strategiesitzung mit dem Deutschland-Management und dann eine Betriebsversammlung mit der gesamten Belegschaft geben. Randolph DeLuxe will persönlich die Zustände im »not so good old Germany« unter die Lupe nehmen. Die jährliche Weihnachtsfeier - neulich abgesagt, als die Krise zu eskalieren begann - falle aber trotzdem aus. Eine reine Betriebsversammlung sei geplant. Schließlich seien die Unternehmensergebnisse in Deutschland wirklich viel zu schlecht, da gebe es nichts zu feiern.
Wenn Randolph & Co. kommen, sollen aber auch die Verantwortlichen für das ganze Chaos gefunden werden. Vermutlich werden einige Köpfe rollen. Hoffentlich nicht meiner! Bisher ist Randy noch sehr freundlich zu mir, wie sich bei der Webkonferenzschaltung
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