Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mummenschanz

Mummenschanz

Titel: Mummenschanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Laterne aus. »Versteck dich hinter den Gardinen.«
    »Und du?«
    »Oh… ich werde nur unauffällig.«
    Agnes eilte zum großen Fenster und drehte sich dort zu Oma um, die am Kamin stand.
    Die Gestalt der alten Hexe… verblaßte. Sie verschwand nicht, verschmolz nur mit dem Hintergrund.
    Ein Arm wurde Teil des Kaminsimses. Ein Teil des Kleides mutierte zu einem Schatten, und der Ellenbogen ging in den Stuhl über. Omas Gesicht verlor sich in einer Vase mit halb verwelkten Blumen.
    Sie war immer noch da wie die Frau des Rätselbilds, das manchmal im Almanach Verwirrung stiftete: Man konnte darin die alte Frau oder das junge Mädchen sehen, aber nicht beide zugleich, da die eine Darstellung aus den Schatten der anderen bestand. Oma Wetterwachs stand nach wie vor am Kamin, aber man sah sie nur, wenn man von ihrer Präsenz wußte.
    Agnes blinzelte. Woraufhin ihre Augen nur noch den Stuhl, das Feuer und formlose Schemen wahrnahmen.
    Die Tür schwang auf. Agnes trat hinter die Vorhänge und kam sich ebenso auffällig vor wie eine große Erdbeere im Eintopf. Sie zweifelte kaum daran, daß ihr Herz laut genug schlug, um sie zu verraten.
    Die Tür schloß sich mit einem leisen Klicken. Jemand durchquerte das Zimmer. Holz kratzte über Holz, als ein Stuhl bewegt wurde.
    Kurz darauf ertönte eine andere Art von Kratzen, gefolgt von einem Zischen – ein Streichholz wurde entzündet. Dann ein Klirren vom Glas der Lampe…
    Plötzlich herrschte völlige Stille.
    Agnes erstarrte. Die Lampe war nicht angezündet worden. Das Licht hätte sie gewiß gesehen, auch hinter dem dichten Vorhang.
    Jemand im Zimmer versuchte mit viel Erfolg, völlig still zu sein.
    Jemand im Zimmer hatte Verdacht geschöpft.
    Eine Diele knarrte laaangsam, als verlagerte jemand sein Gewicht.
    Ein Schrei steckte in Agnes’ Kehle und wollte unbedingt heraus. Nur mit großer Mühe gelang es ihr, weiterhin keinen Ton von sich zu geben. Es fiel ihr so schwer, daß sie befürchtete, jeden Augenblick platzen zu müssen. Der Griff des Fensters, der bisher nur leicht gegen ihren Rücken gedrückt hatte, schien sich nun hartnäckig in ihren Leib bohren zu wollen. Ihr Mund war so trocken, daß er vermutlich wie eine Türangel quietschte, wenn sie schluckte.
    Es konnte unmöglich jemand sein, der das Recht hatte, sich hier aufzuhalten. Berechtigte Personen blieben nicht mucksmäuschenstill.
    Die Sache mit dem Fenstergriff wurde immer mehr zu einer persönlichen Angelegenheit.
    Agnes versuchte, an etwas anderes zu denken…
    Der Vorhang bewegte sich. Jemand stand auf der anderen Seite.
    Wenn ihr Hals nicht völlig trocken gewesen wäre… dann hätte sie vielleicht schreien können.
    Sie spürte die fremde Präsenz durch den Stoff vor ihr. Bestimmt riß gleich jemand den Vorhang beiseite.
    Agnes sprang, soweit sie dazu überhaupt imstande war; es war mehr ein vertikales Walzen. Der Vorhang wogte, und die junge Frau stieß mit jemandem jenseits davon zusammen, um in einem Durcheinander aus Gliedmaßen und zerrissenem Samt auf dem Boden zu landen.
    Sie schnappte nach Luft und lastete schwer auf dem zitternden Bündel unter ihr.
    »Ich schreie!« drohte sie. »Und wenn ich schreie, kommen dir die Trommelfelle aus der Nase!«
    Der Fremde gab jeden Widerstand auf.
    »Perdita?« brachte er undeutlich hervor.
    Über ihr löste sich ein Ende der Gardinenstange aus der Halterung. Messingringe rutschten herunter und fielen einer nach dem anderen zu Boden.
     
    Nanny wandte sich erneut den Beuteln und Säcken zu. Jeder einzelne war prall gefüllt mit Münzen, die leise klimperten, wenn man sie berührte.
    »Das ist eine Menge Geld, Walter«, sagte Nanny langsam.
    »Ja Frau Ogg!«
    Wenn es um Geld ging, verlor Nanny schnell den Überblick – was keineswegs bedeutete, daß dieses Thema nicht von Interesse für sie war. Doch wenn dabei ein gewisses Maß überschritten wurde, gewann alles eine traumhafte Qualität. Aber in diesem Fall konnte sie sicher sein, daß bei soviel Geld auch anderen Leuten der Atem stockte.
    »Wenn ich dich fragen würde, wie das hierhergekommen ist…«, sagte sie, »… bekäme ich wahrscheinlich von dir zu hören, daß der Geist dahintersteckt, stimmt’s? So wie bei den Rosen?«
    »Ja, Frau Ogg.«
    Nanny musterte ihn besorgt. »Hier unten bist du doch sicher, oder? Bleib bitte hier. Ich glaube, ich muß mit einigen Leuten reden.«
    »Wo ist meine Mama, Frau Ogg?«
    »Sie schläft, Walter.«
    Mit dieser Auskunft schien sich der junge Mann

Weitere Kostenlose Bücher