Mummenschanz
Basilica erinnert sich gern an eure vielen Treffen in Opernhäusern, deren Namen ihm derzeit nicht einfallen.«
Henry küßte Oma die Hand und sah dann zu ihr auf. In seinen Augen glühte stummes Flehen.
Meine Güte, dachte Eimer. So wie er sie ansieht… Ob die beiden…?
Er versuchte, sich wieder zu fassen. »Äh… und dies ist Herr Salzella, unser Musikdirektor.«
»Es ist mir eine Ehre«, sagte Salzella. Er drückte Oma fest die Hand und sah ihr direkt in die Augen. Sie nickte.
»Was würdest du als erstes aus einem brennenden Haus holen, Herr Salzella?« fragte Oma.
Er lächelte höflich. »Was soll ich für dich holen, gnä’ Frau?«
Sie nickte nachdenklich und ließ seine Hand los.
»Möchtest du etwas zu trinken?« fragte Eimer.
»Danke, einen kleinen Sherry«, erwiderte Oma.
Als Salzella ein Glas füllte, beugte er sich zu Eimer vor. »Wer ist sie?«
»Offenbar schwimmt sie in Geld«, flüsterte Emil Eimer. »Und sie mag Opern.«
»Hab nie von ihr gehört.«
»Señor Basilica kennt sie, und das genügt mir. Bitte sorg dafür, daß sie sich wohl fühlen. Ich versuche inzwischen, das Problem mit dem Mittagessen zu lösen.«
Er öffnete die Tür und stolperte über Nanny Ogg.
»Entschuldigung!« Nanny stand auf und lächelte fröhlich. »Tja, Türknäufe sind manchmal sehr schwer zu putzen.«
»Äh, Frau…«
»Ogg.«
»Frau Ogg… würdest du bitte zur Küche gehen und Frau Kluppe ausrichten, daß wir noch einen Gast zum Mittagessen haben?«
»Sofort.«
Nanny eilte fort. Eimer nickte anerkennend. Eine sehr tüchtige und zuverlässige Alte, fand er.
Es war nicht in dem Sinne ein Geheim gang. Bei der Teilung des Zimmers war ein Hohlraum zwischen den Wänden übriggeblieben. Am anderen Ende verbreiterte er sich zu einem Treppenhaus, wo es eine ganz normale Treppe gab. Es fiel sogar etwas Tageslicht durch ein schmutziges Fenster.
Agnes fühlte sich ein wenig enttäuscht. Sie hatte einen… nun, einen richtigen Geheimgang erwartet, vielleicht mit einigen Fackeln, die geheimnisvoll in kostbaren und mysteriösen Haltern brannten. Doch man hatte das Treppenhaus nur irgendwann mit einer Wand vom Rest des Gebäudes abgetrennt. Es war nicht geheim, nur vergessen.
Spinnweben klebten in den Ecken. Die Reste toter Fliegen hingen von der Decke herab. Die Luft roch nach sehr lange toten Vögeln.
Doch da waren Spuren im Staub. Jemand hatte die Treppe mehrmals benutzt.
Agnes zögerte und fragte sich, welche Richtung sie einschlagen sollte. Schließlich entschied sie, den oberen Bereich der Treppe zu erkunden. Ihr stand keine sehr lange Reise bevor: Nach nur einem weiteren Stockwerk endeten die Stufen an einer Falltür, die nicht einmal verriegelt war.
Sie drückte die Klappe auf und blinzelte im unerwartet hellen Licht. Wind fuhr ihr durchs Haar. Eine Taube starrte sie an und flog davon, als Agnes den Kopf in die frische Luft hob.
Die Falltür führte aufs Dach des Opernhauses. Sie gehörte zu einem Wald aus Oberlichtern und Belüftungsschächten.
Agnes kehrte ins Gebäude zurück und folgte dem Verlauf der Treppe nach unten.
Während sie eine Stufe nach der anderen hinter sich brachte, hörte sie Stimmen…
Die alte Treppe war nicht völlig vergessen – jemand hatte ihren Nutzen als Luftschacht erkannt. Stimmen wehten empor. Agnes vernahm gesungene Tonleitern, Musik, Gesprächsfetzen. Auf dem Weg nach unten passierte sie mehrere akustische Schichten wie die einzelnen Lagen einer Geräuschtorte.
Greebo saß auf einem Küchenschrank und beobachtete das Geschehen interessiert.
»Versuch’s mit der Schöpfkelle«, schlug ein Kulissenschieber vor.
»Das Ding ist nicht lang genug! Walter!«
»Ja Frau Kluppe?«
»Gib mir den Besen!«
»Ja Frau Kluppe!«
Greebo sah zur hohen Decke empor, an der ein dünner, zehnzackiger Stern klebte.
Aus seiner Mitte starrten zwei entsetzte Augen.
»In kochendes Wasser werfen«, sagte Frau Kluppe. »So steht’s im Kochbuch. Allerdings fehlt der Hinweis: Paß auf, das Biest hält sich am Rand des Topfes fest und springt dann zur Decke hoch.«
Sie stocherte mit dem Besen. Der Tintenfisch versuchte, noch weiter zurückzuweichen.
»Und auch mit den Nudeln klappt’s nicht«, brummte die Köchin. »Ich brate sie schon seit Stunden, aber die verdammten Dinger werden einfach nicht weich.«
»Hallihallo, ich bin’s nur«, sagte Nanny Ogg und sah zur Tür herein. Die allumfassende Natur ihres Wesens beeindruckte derart, daß ihr selbst jene Leute, die sie
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