Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
erklärte Mhairie unwirsch.
»Und warum hast du geweint?« Senga musterte die Freundin mit forschendem Blick. »Dabei hast du wirklich keinen Grund zur Traurigkeit, es sei denn, du hast Glückstränen vergossen.«
»Ich … ich finde es so traurig, dass Vater meine Heirat nicht miterleben kann«, erwiderte Mhairie geistesgegenwärtig.
Sengas Blick wurde weich. »Entschuldige meine taktlosen Bemerkungen! Daran habe ich nicht gedacht. Verzeih mir!«
»Schon gut, ich sollte heute besser auch nicht mehr daran denken. Weißt du, wo Angus steckt? Ich entdecke ihn nirgends.«
»Er ist zu den anderen Männern in den Herrensalon gegangen, nachdem er dich vergeblich gesucht hat. Ich glaube, er hat schon reichlich Whisky genossen.«
»Du meinst, er ist betrunken?«
»Nein, nein, das wollte ich nicht sagen! Aber er ist sehr lustig. Bringt alle zum Lachen. Er hat uns eben geschildert, wie Alan Makenzie wie ein Hase davonhoppelte, als ihn Angus’ Männer einfangen wollten, um ihn auf das Schiff nach Ullapool zu bringen.«
Mhairies Augen verengten sich zu Schlitzen. »Das finde ich gar nicht komisch«, zischte sie.
»Was findest du nicht komisch, mein Liebling? Wo warst du überhaupt? Ich habe dich vermisst.« Angus’ Stimme klang wie immer und kein bisschen betrunken. Als er ihr eine Hand auf die Schulter legen wollte, trat Mhairie einen Schritt zur Seite. Er griff ins Leere, ließ sich aber seine sichtlich gute Laune nicht verderben. »Das ist ja eine Stimmung wie auf einer Beerdigung. Worüber haben die Damen denn gesprochen?«
»Ich habe ihr gerade erzählt, wie du …«
»Wir sprachen davon, dass mein Vater dieses Fest nicht mehr erleben kann«, unterbrach Mhairie Senga in scharfem Ton. »Ich habe gehört, wir sollen mit dem Eröffnungstanz beginnen. Darf ich bitten?«, fügte sie gezwungen lächelnd hinzu und ließ die verblüffte junge Frau stehen. Doch dann wandte sie sich noch einmal um und warf der einstigen Freundin einen warnenden Blick zu. Senga verzog keine Miene. Ich muss mich vor ihr in Acht nehmen, sagte sich Mhairie, und der Gedanke stimmte sie traurig. Wie dringend brauchte sie in ihrer Notlage eine gute Freundin, der sie vertrauen konnte.
Auf dem Weg zum Saal nahm Angus sie plötzlich in den Arm. »Bleib so stehen und schließ die Augen!«, raunte er. »Ich habe noch eine Überraschung für dich.«
Mhairie tat, was er verlangte und sie spürte, wie er ihr etwas Kaltes um den Hals legte.
»Jetzt darfst du die Augen wieder öffnen, mein Liebling.«
Mhairie blickte sich zögernd um. Angus hielt ihr einen kleinen Spiegel vor das Gesicht, und als sie das Schmuckstück am Hals glitzern sah, wurde ihr speiübel, ahnte sie doch, was er ihr da soeben geschenkt hatte. Es war keine einfache Kette, sondern eine Collane. Das wusste sie sehr wohl, denn in den Büchern ihres Vaters hatte sie einst eine Abbildung des höchsten schottischen Ordens gesehen.
»Aber Angus, das kann ich nicht tragen! Woher hast du das?«, brachte Mhairie schließlich heiser hervor.
Angus’ eben noch strahlendes Gesicht verfinsterte sich merklich. »Gefällt es dir nicht?«
Mhairie rang nach Luft. Hatte Artair ihr nicht am Loch Meig erzählt, dass die Munroys ihnen die Collane gestohlen hatten?
»Sag mir, woher du das hast?«
»Willst du es behalten oder nicht?«, knurrte er.
In Mhairies Seele tobte ein Sturm der Gefühle. Am liebsten hätte sie sich die Ordenskette vom Hals gerissen und ihm vor die Füße geworfen, denn sie gehörte Artair. Doch was wäre dann? Angus würde sie wieder an sich nehmen, und sie würde sie niemals wieder sehen. Nein, sie musste sie behalten, doch sie würde sie nie wieder tragen, sondern Artairs Kind vererben.
Sie rang sich zu einem schiefen Lächeln durch. »Danke, Angus, ich finde dieses Schmuckstück wunderschön. Ich bin überwältigt. Natürlich möchte ich es behalten«, flüsterte sie kaum hörbar.
Angus schien darin ein Zeichen ihrer Freude und Ergriffenheit zu sehen, denn er fasste sie zärtlich bei der Hand. »Komm, eröffnen wir den Tanz!«, rief er sichtlich erleichtert.
Wie betäubt ließ sie sich in den Festsaal führen.
»Was für ein schönes Paar!«, rief Angus’ Mutter überschwänglich aus, als sich ihr Sohn und seine junge Frau nun vor der Dudelsackkapelle zum Tanz aufstellten. Mhairies Miene aber war wie versteinert, und sie führte die Schritte so mechanisch aus, als sei sie ein aufgezogener Kreisel. Ringsum wurde gelacht und gescherzt. Laut und immer lauter. Sie nahm
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