Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
die Gesichter der anderen schließlich nur noch wie durch einen wabernden Nebel wahr, der sich wie aus dem Nichts ganz plötzlich über das Hochland legt.
Mir ist schwindelig vom Tanzen, dachte sie noch, als ihr die Beine wegknickten und sie das laute Aufkreischen einiger Damen wahrnahm.
Als sie wieder zu Bewusstsein kam, lag sie am Boden des Saales, und viele besorgte Gesichter blickten auf sie herab.
»Es geht mir schon wieder gut«, wollte sie sagen, doch sie brachte kein Wort hervor. Ihr Mund war so trocken, dass ihre Zunge am Gaumen zu kleben schien.
»Das Beste wird sein, wir bringen sie in ihr Zimmer«, hörte sie wie von ferne ihren Patenonkel anordnen. Schon fühlte sie, wie Angus’ Arme sie packten und durch die gaffende Menge trugen. Sein Blick war besorgt, während er sie die Treppen hinauf in ihr Schlafzimmer brachte und auf das Bett legte.
Ihr Patenonkel hatte ihn begleitet, und in seinem Blick stand mehr als bloße Besorgnis geschrieben. Die nackte Angst sprach ihm aus den Augen.
»Sie sollten rasch auf das Fest zurückkehren, Angus. Ich untersuche derweil Ihre Frau«, erklärte der Arzt bemüht energisch. Als Angus nicht reagierte, legte er ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. »Es ist sicher nur ein kleiner Schwächeanfall. Sie wollen doch deshalb das Fest nicht abbrechen, oder?«
In diesem Augenblick drohte ein ziehender Schmerz Mhairies Unterleib schier zu zerreißen, doch sie schaffte es, weder zu schreien noch ihr Gesicht zu verziehen, denn sie ahnte, was das zu bedeuten hatte. Sie schaffte es sogar mit letzter Kraft, Angus zum Verlassen des Zimmers zu bewegen. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, da bäumte sie sich auf und schob sich eine Faust in den Mund, damit kein gellender Schrei sie verriet.
Ihr Patenonkel war kalkweiß geworden, während er ihr das Hochzeitskleid nach oben schob. Dann griff er sich ein Kissen, zerrte es aus dem Bezug und stopfte ihr diesen zwischen die Schenkel.
Mhairie war wie erstarrt. Sie hatte keine Schmerzen mehr, aber sie wusste, was geschehen war.
»Ich habe es verloren, nicht wahr?«, fragte sie mit bebender Stimme.
»Ja, aber mach dir bitte keine Sorgen, mein Kleines. Es ist alles gut, es war noch zu früh, als dass es dich gefährden könnte. Dir wird nichts geschehen.«
»Aber ich möchte sterben. Bitte lass mich sterben!«, wimmerte Mhairie.
»Hör auf, solchen Unsinn zu reden! Es ist wie eine kräftige Blutung, du bleibst ein paar Tage im Bett, und dann ist alles wieder gut.«
»Nichts ist gut! Ohne sein Kind ist alles sinnlos.« Mhairie wollte sich mit einem Ruck aufsetzen, aber der Doktor drückte sie sanft in die Kissen zurück.
»Leg dich hin und rede nicht so viel! Ich erledige alles«, sagte ihr Onkel mit belegter Stimme, während er den mit Blut vollgesogenen Kissenbezug zur Seite warf und nach einem zweiten griff.
Mhairie aber stierte entgeistert auf das viele Blut und stieß einen markerschütternden Schrei aus.
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür. Mhairies Patenonkel schaffte es gerade noch rechtzeitig, ihr das Kleid hinunterzuziehen, bevor Angus’ Schwester ins Zimmer trat. »Ich wollte nur nachsehen, ob …« Harriets Blick blieb an dem Kissen hängen, und sie schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund.
»Treten Sie ein und schließen Sie die Tür hinter sich ab!«, befahl der Arzt. »Dann kommen Sie her und helfen mir.«
Harriet näherte sich zögernd. »Was ist geschehen?«
»Ihre Schwägerin ist einfach nur unpässlich. Bei manchen Frauen hat das solche Auswirkungen.«
»Um Himmels willen, ist das gefährlich?«
»Nicht, wenn sie sich schont. Dann ist es morgen schon wieder besser. Wären Sie so freundlich, Ihrer Schwägerin ein Nachthemd zu bringen und vorerst darüber zu schweigen? Die Hochzeit soll doch nicht so unvermittelt enden.«
Harriet blieb unschlüssig stehen.
»Beeilen Sie sich! Und keine Sorge, sie kommt wieder auf die Beine.«
Kaum hatte Harriet das Zimmer verlassen, stöhnte Mhairie laut auf. »Bitte, lass mich sterben, Onkel Murray, bitte!«
Doktor Maccain aber begutachtete zunächst das Kissen, bevor er sich auf der Bettkante niederließ. »Die heftigste Blutung ist vorüber. Was jetzt kommt, dürfte nicht schlimmer werden als deine monatliche Blutung.«
»Du sprichst darüber, als sei es nur ein medizinisches Problem, aber ich habe alles verloren. Verstehst du nicht? Warum sagen wir ihnen nicht die Wahrheit? Dass ich Angus nur deshalb geheiratet habe? Soll er mich doch verstoßen.
Weitere Kostenlose Bücher