Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
Dann kann ich ins Wasser gehen«, schluchzte Mhairie.
»Schluss damit!«, herrschte der Doktor sie an. »Es ist zu spät. Du bist seine Frau. Du wirst jetzt genau das tun, was ich dir sage.«
»Warum um alles in der Welt willst du mich zwingen, ein Leben zu führen, das ich verabscheue? Das wäre bestimmt nicht im Sinn meiner Mutter gewesen.«
Murray Maccain wurde blass und bekam schmale Lippen. »Sie hatte immer ein gesundes Empfinden für Tatsachen und war keine Träumerin wie du. Und ich sollte dafür Sorge tragen, dass du ein anständiges Leben führst. Du kannst von mir nicht verlangen, dass ich dich ins Wasser gehen lasse oder tatenlos mitansehe, wie du dir mit unbedachten Worten deine Zukunft zerstörst. Wenn du den Munroys dort unten die Wahrheit verkündest, musst du die Highlands für immer verlassen und wirst irgendwo das Leben einer Ausgestoßenen fristen.«
»Du verlangst also von mir, dass ich so tue, als wäre nichts geschehen? Nur dass ich ganz plötzlich unpässlich bin. Hätte ich doch geahnt, welch ausgekochter Lügner du sein kannst!«
Der Doktor senkte den Kopf. »Du hast recht. Ich hätte dich niemals dazu überreden dürfen, ein falsches Spiel zu spielen. Hätte ich deiner Mutter nicht geschworen, immer auf dich aufzupassen, ich wäre nie so tief gesunken. Aber nun muss ich mit den Konsequenzen leben. Wenn die Munroys erfahren, zu welch schändlichem Betrug ich dich angestiftet habe, kann ich keinen Tag länger in den Highlands praktizieren. Geh zu ihnen hinunter! Sag ihnen die Wahrheit! Ich habe keine Kraft mehr, dich vor deinem Elend zu bewahren. Und glaube ja nicht, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie du leidest, weil du das Kind jenes Mannes verloren hast, den du liebst. Nur weil ich keine eigenen Kinder habe. Ich habe mir zeitlebens gewünscht, du wärst meine Tochter, aber du bist es nicht, Mhairie, denn mir waren keine Kinder vergönnt. Aber als Arzt möchte ich dir noch einen guten Rat geben. Bleib einige Tage lang im Bett liegen und sprich dann in Ruhe mit deinem Mann. Ich denke, dir wird er verzeihen, wenn du bei ihm bleibst. Aber mit mir ist niemand nachsichtig, und das ist auch kein Wunder. Auf Wiedersehen, mein Kind.«
Murray Maccain sah um Jahre gealtert aus, als er sich mühsam von der Bettkante erhob. Sein Gesicht war grau und eingefallen. »Glaub mir, ich habe dein Bestes gewollt, aber nie damit gerechnet, dass die Natur ihre eigenen Wege geht. Ich glaube, der Herr dort oben wollte den Betrug nicht unterstützen.«
Mhairie schwieg eine Weile, bevor sie seine Hand ergriff und murmelte: »Ich weiß doch, dass du nur mein Bestes wolltest. Ich hätte nur sein Kind so unendlich gern in Armen gehalten. Aber stell dir vor, er hätte es später herausbekommen, weil das Kind Artairs blondes Haar geerbt hätte oder … Sag mir nur eins ganz ehrlich: Kann ich überhaupt noch einmal Kinder bekommen?«
»Aber natürlich, Mhairie, du bist jung und gesund …«
Es klopfte, und der Doktor ging nun mit hängenden Schultern zur Tür. Schüchtern trat Harriet mit einem Nachthemd in der Hand ins Zimmer. Mhairies Patenonkel deutete müde auf Mhairie und wollte das Zimmer verlassen, doch da befahl sie mit klarer Stimme: »Harriet, lass mich bitte mit dem Doktor Maccain allein. Er wird mir noch Auskunft geben, was ich tun muss, damit es beim nächsten Mal nicht wieder so schlimm wird. Da gibt es sicher Mittel, die meine Beschwerden lindern. Vielleicht gehst du hinunter und bringst eurer Mutter und Angus schonend bei, dass ich nicht mehr zum Fest erscheinen werde, weil ich unpässlich bin. Das werden sie schon verstehen. Und bitte schärf ihnen ein, dass sie weiterfeiern sollen …« Den letzten Satz sagte Mhairie aus einem einzigen Grund: Der Gedanke, Angus könne sich womöglich an ihr Bett setzen und ihre Hand halten, war ihr unerträglich.
»Ja, das werde ich ausrichten«, erwiderte Angus’ Schwester leise und zog die Tür hinter sich zu.
Der Doktor wandte sich langsam um und kehrte auf seinen Platz auf der Bettkante zurück.
»Danke. Nun kann ich in unserem geliebten Tal bleiben und du auch. Ich hoffe, du wirst mich niemals dafür hassen?«, seufzte er.
»Wenn ich jemanden hasse, dann mich allein«, erwiderte Mhairie.
»Gut, dann beseitige ich erst einmal die Spuren. Ich brauche dein Kleid. Meine Frau wird es wieder herrichten, als sei nichts geschehen. Die Überdecke lasse ich verschwinden. Ich glaube nicht, dass Angus Munroy sie vermissen wird, und …« Der Doktor
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