Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
ihn!«, brüllte er den anderen Männern zu. »Ich verwette meinen Gaul darauf, dass er es war.«
»Was ist geschehen?« Mhairie wunderte sich, dass sie überhaupt noch ein verständliches Wort hervorbrachte. Jeden Augenblick drohten ihr die Sinne zu schwinden.
»Wir haben Artair Makenzie tot im Fluss gefunden. Und wir glauben, dass dein Mann ihn umgebracht hat.«
Mhairie spürte nur noch, wie der Boden unter ihr ins Schwanken geriet. Mit letzter Kraft hielt sie sich an der Stalltür fest.
»Um Himmels willen, Mhairie!«, schrie Alec und sprang vom Pferd. »Wartet hier, ich bringe die Frau in Sicherheit.« Und schon hatte er sie untergehakt und führte sie stumm zum Haus. Im Eingang stand Lady Sorcha – bleich wie der Tod.
»Ihrer Schwiegertochter ist nicht wohl. Schaffen Sie es, sie ins Bett zu bringen? Wir müssen weiter!«
»Lasst mich!«, flüsterte Mhairie schwach und wankte an ihrer Schwiegermutter vorbei ins Haus. Erst im Flur verließen sie die Kräfte, und sie brach mit einem Aufschrei zusammen.
42
Scatwell, Juli 1854 – drei Tage später
Mhairie dämmerte seit Tagen in ihrem Bett vor sich hin. Jeden Tag sah Doktor Maccain nach ihr, aber sie schaffte es nicht einmal, mit ihm zu sprechen. Sie blickte ihn immer nur stumm an. Auch wenn er ihr ins Gewissen redete, sie müsse des kleinen Jungen und des ungeborenen Kindes wegen wieder auf die Beine kommen. Dann nickte sie nur. Das änderte nur nichts daran, dass sie sich wünschte, einfach im Bett zu liegen und zur Decke hinaufzustarren.
Auch an diesem, dem dritten Tag saß ihr Patenonkel an ihrem Bett und betrachtete sie voller Sorge. »Mhairie, bitte, du musst aufstehen. Körperlich fehlt dir nichts. Und Brian fragt ständig nach dir. Er braucht dich. Ich verstehe ja, dass du einen Schock erlitten hast …«
»Du weißt, was geschehen ist?«
Doktor Maccain atmete sichtlich erleichtert auf. »Ich dachte schon, du hättest die Sprache verloren.«
»Hat Angus ihn umgebracht?«
»Ich weiß es nicht. Der Inspektor aus Tain ist heute im Tal, um dem Fall nachzugehen. Soweit ich weiß, hat Angus ein Alibi, aber Kind, das Wichtigste ist doch, dass du wieder auf die Beine kommst.«
»Du hast recht, ich kann mich nicht für den Rest meines Lebens im Bett verkriechen. Weißt du was? Ich stehe auf.«
»Das ist das Vernünftigste, was ich seit Langem aus deinem Mund gehört habe. Ich warte draußen.«
Mhairie reckte sich, und dabei fiel ihr Blick auf den Brief, der neben ihrem Bett am Boden lag. Sofort spürte sie, wie es in ihrem Kopf zu flirren begann. Dieser Brief war der Beweis seiner Schuld. Wer sollte denn sonst am Bach gewesen sein und Artair umgebracht haben, wenn nicht Angus?
Mhairie wurde abwechselnd heiß und kalt. Am liebsten hätte sie sich die Bettdecke wieder über den Kopf gezogen, aber sie dachte an Brian. Der Junge brauchte seine Mutter. Dieser Gedanke verlieh ihr die Kraft, sich anzukleiden und das Zimmer zu verlassen. Ihr Onkel wartete geduldig vor der Tür und stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Bezaubernd wie immer. Nur ein wenig bleich um die Nase.«
Mhairie rang sich zu einem Lächeln durch.
Brian spielte im Wohnzimmer und stürzte sich mit einem Aufschrei in ihre Arme, kaum dass er sie bemerkt hatte. Harriet war bei ihm, doch sie würdigte Mhairie keines Blickes.
»Was hast du heute gemacht?«, fragte Mhairie.
»Hab mit Tante Harriet gespielt«. Der Junge strahlte über das ganze Gesicht.
»Und wo ist dein Vater?« Diese Frage kam Mhairie nur mühsam über die Lippen, aber sie wollte dem Kind das Gefühl vermitteln, als sei alles in Ordnung.
Das Gesicht des Kleinen verfinsterte sich. Er biss sich trotzig auf die Unterlippe und schwieg. Mhairie breitete die Arme aus, und Brian schmiegte sich fest an sie.
»Soll ich noch bleiben, oder kommst du allein zurecht?«, fragte Murray Maccain besorgt.
»Nein, geh du nur zu deinen anderen Patienten. Die brauchen dich nötiger als ich. Ich schaffe es schon allein.«
»Ich schaue im Lauf der Woche noch einmal nach dir. Und übertreib es nicht! Du bist zwar gesund, aber die Schwangerschaft fordert ihren Tribut.«
»Ich bringe dich noch zur Tür«, sagte Mhairie, entließ Brian sanft aus ihren Armen und fasste ihn an der Hand. Gemeinsam begleiteten sie Murray Maccain hinaus.
Begierig sog Mhairie die frische Luft ein. Es regnete zwar in Strömen, aber es roch so herrlich frisch, dass sie förmlich spürte, wie ihre Lebensgeister zurückkehrten.
So stand sie noch eine Weile in
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