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Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands

Titel: Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Cameron
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einen prüfenden Blick in die Kiste und stutzte. Der dunkelblaue Samt am Boden der Kiste war nicht glatt, sondern gewellt. Vorsichtig hob sie den Stoff an und stieß einen Pfiff aus. Darunter befanden sich jene Gegenstände, die die Gefängnisverwaltung ihrer Mutter einst geschickt hatte: ein silberner Orden mit der Distel darauf, der Sgian Dubh, ein traditionelles schottisches Strumpfmesser und ein Clanabzeichen. Offenbar hatte Davinia diese Hinweise auf die Identität des Kindsvaters gleich nach Erhalt in dieser Holzkiste verschwinden lassen, denn Lili hatte nichts davon je zu Gesicht bekommen. Vorsichtig nahm sie erst den Orden heraus, dann das Messer mit dem schwarzen Griff und zuletzt das Clanabzeichen. Da entdeckte sie am Boden der Kiste einen Briefumschlag. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie ihn vom Grund der Truhe barg. Sie erschrak, als sie die Schrift wiedererkannte. Es waren dieselben schön geschwungenen Buchstaben, mit der ihr Vater die Widmung auf der Rückseite seiner Fotografie verfasst hatte. Vor lauter Aufregung riss sie den Umschlag ein, während sie ungeduldig den Brief hervorzerrte. Er war datiert auf den April achtzehnhundertneunundachtzig, also auf einen Zeitpunkt, da ihre Mutter schon schwanger mit ihr gewesen war. Lilis Herzschlag wollte aussetzen, während sie diese Zeilen ungeduldig verschlang.

    Liebste, Du musst stark sein. Ich konnte nicht zu unserer Hochzeit erscheinen und werde Dich niemals wiedersehen. Du weißt, ich musste hier oben im Norden etwas erledigen. Ich habe einen Menschen umgebracht. Es war ein fairer Kampf, doch das wird mir keiner je glauben. Nun werde ich im ganzen Land als Mörder gesucht.
    Noch kann ich mich in den Highlands verstecken, aber wer weiß, wie lange noch? Ich könnte das Land verlassen, aber anderswo kann ich nicht leben. Deshalb werden sie früher oder später meiner habhaft werden. Und dann stehe ich zu meiner Tat, denn er war ein hinterhältiger Lump, der meiner Familie Übles angetan hatte. Er hat den Tod verdient. Bitte, versprich mir, dass Du Dir einen guten Mann nimmst, mit ihm eine Familie gründest und mich vergisst. Ich will nicht, dass Du mich womöglich im Gefängnis besuchst. Denn wenn sie mich kriegen, werde ich nie wieder in meinem Leben freikommen. Und bitte, Du musst mir schwören: Sprich nie wieder meinen Namen aus. Hörst Du? Nie wieder. Gordon Makenzie ist tot. Und such mich nicht. Ich werde leugnen, Dich zu kennen. Es ist besser so. Dein G. M. – nenne mich meinetwegen Gerald MacGordon –, der bis zu seinem letzten Atemzug, selbst wenn er ihn im Angesicht des Henkers tut, von dem einen Gedanken getragen und getröstet wird: dass er Davinia Campbell über alles liebt. Wir sehen uns wieder. In einem anderen Leben, mein Lieb.

    Lili wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Auge. So schrecklich die ganze Geschichte auch war, die Worte ihres Vaters trafen sie bis ins Mark. Wenn er auch nur annähernd ein solcher Mensch gewesen war, wie diese Worte sie glauben machten, dann konnte er kein mieser Verbrecher gewesen sein. Diese Rührung verflog, kaum hatte sie sich bewusst gemacht, dass ihr Vater offenbar einen Menschen auf dem Gewissen und ihre Mutter zu dieser lebenslangen Lüge verpflichtet hatte. Hätte er das auch von ihr verlangt, wenn er geahnt hätte, dass meine Mutter bereits ein Kind von ihm erwartete?, fragte sich Lili schockiert. Hätte er ihr dann verbieten können, dem Kind den Namen seines Vaters zu nennen? Hatte Davinia geglaubt, dass die Tochter diese Unterlagen finden werde, oder vielmehr gehofft, dass sie diese ungelesen fortwerfen werde?
    Und was stand in ihrer Geburtsurkunde? Wie von Sinnen durchwühlte Lili alle jene Unterlagen, die sie vorhin lieblos aus der Kiste gekramt und zur Seite geworfen hatte. Und tatsächlich, ihre Geburtsurkunde befand sich darunter. Am ganzen Körper bebend suchte sie den Namen ihres Vaters, doch vergeblich, denn dort, wo er hätte stehen sollen, waren nur zwei Worte eingetragen: Vater unbekannt.
    Lili saß eine Zeit lang wie betäubt mit der Geburtsurkunde in der Hand auf dem Fußboden. Absurde Gedanken wirbelten ihr ungeordnet durch den Kopf. Durfte sie Niall überhaupt noch heiraten, nachdem sie von dem Schicksal ihres Vaters erfahren hatte? Doch hatte er nicht mehr als deutlich gemacht, dass ihn ihre Herkunft nicht interessierte? Und überhaupt, was kümmerte sie dieser Mann, der zwar ihr Erzeuger war, der aber ansonsten nichts mit ihrem Leben zu schaffen hatte? Warum

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