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Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands

Titel: Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Cameron
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Augenfarbe er gehabt hatte. Auf dem Bild wirkten die Augen sehr hell und wach. Ob das wirklich mein Vater ist?, fragte sie sich und drehte auch diese Fotografie um. Sie schluckte trocken, als sie in einer schön geschwungenen Schrift auf der Rückseite las: Wie lang und grausig ist die Nacht, entfernt von dir, o Liebe! O dass mein müdes Auge doch nicht ohne Schlummer bliebe. Wenn ich das hier erledigt habe, wirst Du meine Frau. Gordon Makenzie
    Lili wurde unheimlich zumute. Da hatte ihr Vater Davinia mit demselben Gedicht von Robert Burns seine Liebe erklärt wie Niall Lili am Vormittag. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Und erneut stellte sie sich die Frage, ob es nicht vernünftiger wäre, mit ihrem Leben in Edinburgh auch diese Kiste hinter sich zu lassen. Als ihr Vater noch der gesichtslose Gerald MacGregor aus den Lowlands gewesen war, hatte sie sich nie sonderlich für ihn interessiert. Was hatte sich geändert, nur weil er ein zwielichtiger Mann aus den Highlands war, der nun ein Gesicht besaß?
    Nein, ich sollte aufhören, in der Kiste zu wühlen, die Fotografien meiner Mutter und meine Geburtsurkunde mitnehmen, wenn sie sich denn überhaupt in dieser Kiste befindet, und den Rest vernichten, sprach sie sich gut zu, während ihre Hand wie von selbst nach dem Brief griff, der ganz oben lag. Lili erschrak, als ihr Blick auf den Absender fiel. Es war die Gefängnisverwaltung von Inverness.
    Die Buchstaben tanzten ihr vor den Augen, und trotzdem konnte sie den Brief nicht aus der Hand legen. Vorsichtig drehte sie ihn um. Er war an Miss Davinia Campbell, bei Denoon, Charlotte Square 5 in Edinburgh, adressiert. Mit zittrigen Fingern zog Lili den Brief aus dem Umschlag. Keine Frage, es war ein offizielles Schreiben, datiert vom zwanzigsten November achtzehnhundertneunundneunzig. Lili schloss die Augen. Eine innere Stimme riet ihr dringend davon ab, diese Zeilen zu lesen. Sie atmete ein paarmal tief durch und riss die Augen wieder auf. Zu spät, schoss es ihr durch den Kopf. Jetzt kann ich nicht mehr zurück. Entschlossen heftete sie den Blick auf dieses schmutzige vergilbte Stückchen Papier.

    Sehr geehrte Miss Campbell,
    mit Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, dass unser Häftling Gordon Makenzie an den Folgen einer Typhusepidemie in unseren Mauern verstorben ist. Kurz vor seinem Tod bat er unseren Geistlichen, die Dinge, die er bei seiner Inhaftierung bei sich trug, an Sie zu schicken. Hiermit führen wir die Gegenstände einzeln auf: ein silberner Ordensstern des St.-Andrew-Ordens, einen Sgian Dubh und ein Clanabzeichen aus Zinn. Diese Gegenstände übersenden wir Ihnen mit getrennter Post. Die Gefängnisverwaltung Inverness
    Alister McLarren

    Lili schnappte laut hörbar nach Luft. Ihr Vater war also im Gefängnis von Inverness an Typhus gestorben, während Davinia ihr zeitlebens das Märchen vom schrecklichen Unfall kurz vor ihrer Geburt aufgetischt hatte. Dabei hatte sie all die Jahre von seinem Tod hinter Gefängnismauern gewusst, sich aber niemals etwas anmerken lassen. Lili stutzte. Oder doch? Plötzlich kamen ihr Bilder von ihrem zehnten Geburtstag Ende Oktober in den Sinn. Sie hatte ihn am Charlotte Square gefeiert. Sie erinnerte sich noch genau, wie stolz sie mit den anderen Mädchen unbehelligt durch das große Haus getobt war. Bis eine der Mitschülerinnen ihr gehässig an den Kopf geworfen hatte, das Haus gehöre den Herrschaften ihrer Mutter und sie sei doch nur ein Bastard. In dem Augenblick war ihre Mutter ins Zimmer gestürzt, hatte dem Mädchen eine schallende Ohrfeige verpasst und war dann weinend geflüchtet. Hätte Doktor Denoon bei den Eltern dieses Mädchens kein gutes Wort für Davinia eingelegt, hätte das Ganze sicher ein böses Nachspiel gehabt. Lili entsann sich nur deshalb so genau an jenen Tag, weil ihre Mutter danach noch lange mit vom ständigen Weinen geröteten Augen herumgelaufen war. Lili hatte damals geglaubt, ihr täten die Backpfeife und der Ärger leid, den sie den Denoons damit bereitet hatte. Wahrscheinlich hat sie an jenem Tag die Nachricht von Gordons Tod erhalten, mutmaßte Lili. Aber was war in den Jahren zuvor geschehen? Hatte Davinia die ganze Zeit über gewusst, dass er im Gefängnis saß, und auch, warum? Lilis Magen krampfte sich zusammen.
    Nun gab es für sie kein Halten mehr. Sie wollte, ja, sie musste wissen, was sich damals ereignet hatte. Mit hochrotem Kopf blätterte sie die Briefe durch, aber sie fand nichts mehr von Interesse. Sie warf

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