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Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands

Titel: Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Cameron
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sollte sie sich Gedanken machen über einen Menschen, der seit weit über zehn Jahren tot war? Aber war es nicht ihre Pflicht als Tochter herauszubekommen, was hinter dieser Geschichte wirklich steckte? Was damals in den Highlands geschehen war?
    Nein, denn einmal abgesehen davon, dass die wahre Herkunft ihres Vaters womöglich Lilis unbeschreibliche Sehnsucht nach dem Hochland zu erklären vermochte, was ging sie das Schicksal eines Mannes an, der niemals für sie da gewesen war? Wem sollte es nützen, wenn sie einem alten Geheimnis auf die Spur kam, nun da sie im Begriff stand, ein neues Leben anzufangen? Energisch nahm sie die Urkunde an sich. Sie würde sie zur Hochzeit benötigen, und ob sie Niall später einmal davon erzählen würde, stand auf einem anderen Blatt. Erneut griff sie zu dem Brief ihres Vaters.
    Sie spielte kurz mit dem Gedanken, ihn zu vernichten, doch schließlich entschied sie sich anders. Zusammen mit dem Orden, dem Messer, dem Clanabzeichen, der Fotografie ihrer Mutter, ihrer Geburtsurkunde und dem Bild des Vaters stopfte sie seinen Brief in ihren Koffer. Nur das Schreiben der Gefängnisverwaltung riss sie in der Mitte durch und warf es in den Müll.

10
    Edinburgh, 23. Dezember 1913, früher Abend
    Lili versuchte seit mehr als einer Stunde krampfhaft, nicht mehr an die Geschichte mit ihrem Vater zu denken. Sie hatte ihre Sachen gepackt und ließ noch einen letzten Blick über die Möbel und die Kleiderkiste schweifen, die Lili Davinias Nachbarin, der Witwe Laird, vermacht hatte. Im Gegenzug dafür würde diese die Wohnung ausräumen. Da entdeckte sie neben dem Herd eine kleine Schachtel. Dort hatte ihre Mutter immer ihren Schmuck verwahrt. Lili öffnete sie vorsichtig. Vielleicht fand sie darin ein Abschiedsgeschenk für Miss Macdonald. Die Direktorin hatte Lili nach dem Fest vorgeschlagen, unter diesen Umständen ihre kleine Weihnachtsfeier, die für den fünfundzwanzigsten Dezember geplant war, auf den heutigen Abend vorzuverlegen. Als Abschiedsfeier sozusagen. Lili hatte die Einladung in die Schule dankbar angenommen, verstand sie dies doch als Versöhnungsangebot der Schulleiterin. Es wäre ihr schwergefallen, die St. George’s in Unfrieden mit Miss Macdonald zu verlassen. Außerdem hatte sie Niall ohnehin gebeten, sie am nächsten Tag in der Schule abzuholen. Und unter diesen Umständen würde sie auch dort übernachten, jetzt, da alle Schülerinnen zu Hause waren.
    Lili warf einen Blick in die ärmliche Schatulle. Die Ausbeute war mager. Davinia hatte nicht mehr besessen als einen goldenen Ring und eine Kette. Der altmodische Schmuck wäre vielleicht etwas, womit sie Miss Macdonald eine Freude bereiten konnte, aber wenn sie der Direktorin etwas mitbrachte, benötigte sie auch ein Präsent für Mademoiselle Larange. Diese aber liebte das Ausgefallene und Luxuriöse, doch derlei hatte ihre Mutter Lilis Wissen nach nie besessen.
    Schade, ich habe wirklich nichts für sie, dachte Lili betrübt, als ihr Blick noch einmal auf die Kleidertruhe fiel, die alte Sachen ihrer Mutter enthielt und die sie gar nicht erst geöffnet hatte. In ihrer Verlegenheit holte sie das jetzt nach und konnte kaum fassen, welche bunten und gewagten Kleider sie entdeckte. Darin hatte sie ihre Mutter niemals gesehen. Das Verrückteste war ein riesiger Hut mit Federn, ganz so, wie es in jungen Jahren ihrer Mutter einmal Mode gewesen war. Lili zog das Monstrum aus seiner Verpackung und setzte es auf. Auf ihrem Kopf sah es einfach nur lächerlich aus, aber Lili war sich sicher, dass die Französin diesen Hut formidable finden würde. Leider passte der Hut nicht mehr in den Koffer, sodass Lili ihn unter den Arm klemmen musste. Vernünftiger wäre es, mit dem schweren Gepäck eine Droschke zu nehmen, ging ihr durch den Kopf, während sie ins Kalte hinaustrat, sich noch einmal umwandte, um der Bell’s Wynd einen letzten Blick zu schenken, bevor sie die Stufen zur High Street hinaufstieg.
    Dort hielt sie schwer atmend inne, doch sie wollte unbedingt noch ein letztes Mal den Weg zu Fuß durch ihr geliebtes Edinburgh gehen. Der Nachteil war allerdings, dass sie nur langsam vorankam, denn der Koffer war unglaublich schwer. Der Abschied von St. Giles, ein letzter Blick zum Schloss hinauf, all das nahm Zeit in Anspruch. Sie kam dann aber doch schneller voran, nachdem sie die High Street verlassen hatte und durch einen Park in Richtung Charlotte Square eilte. Nach allem, was sie inzwischen über ihren Vater in Erfahrung

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