Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
Vergangenheit bei so mancher Junglehrerin, die ich an einen Ehemann verloren habe, gewünscht hätte, diese Ehe wäre nicht zustande gekommen. Aber Sie haben es gut getroffen. Da mache ich mir keine Gedanken. Die Munroys sind eine angesehene Familie, Sir Niall ist ein feiner Mann, und für Isobel gibt es nichts Wichtigeres, als wieder eine Mutter zu bekommen, nachdem ihre so grausam …« Miss Macdonald unterbrach sich erschrocken. »Entschuldigen Sie, das habe ich natürlich nicht sagen wollen. Es geht mich nichts an. Ich bin ein geschwätziges altes Weib, das viel zu viel redet.«
»Keine Sorge – dass Isobels Mutter sich umgebracht hat, das hat mir schon unser reizender ehemaliger Mathematiklehrer gesteckt«, bemerkte Lili trocken.
»So ein Dummkopf! Aber sprechen wir lieber über etwas Erfreulicheres.« Die Direktorin hatte einen roten Kopf bekommen, was besonders auffiel, weil sie von Natur aus eine besonders helle Hautfarbe besaß.
Lili war die Verlegenheit ihrer Gastgeberin nicht entgangen. Im Gegenteil, sie musterte Miss Macdonald neugierig. »Ich möchte gern alles erfahren, was Sie über diesen Fall wissen, sofern es Ihnen nichts ausmacht. Weder Niall noch Isobel kann ich danach fragen. Den Vater nicht, weil er den Tod seiner Frau mir gegenüber mit keinem Wort erwähnt hat. Und auch das Mädchen nicht. Seit sie weiß, dass ich ihren Vater heiraten werde, lehnt sie mich ab.« Lili blickte Miss Macdonald eindringlich an. »Bitte, erzählen Sie mir alles, was Sie darüber wissen!«
Die Direktorin richtete ihre Augen krampfhaft auf den Teller mit dem Braten.
»Lili, sehen Sie, das sind doch alles nur Gerüchte. Sir Niall ist ein verschlossener Mensch. Der hat die Sache nie erwähnt. Und es ist ja auch schon lange her. Über vier Jahre. Ich glaube, Sie sollten die alte Geschichte ruhen lassen und …«
»Bitte, sagen Sie mir, was Sie wissen! Und selbst wenn es nur unsinnige Gerüchte sind. Eines Tages werde ich sicher aus dem Mund meines zukünftigen Mannes die ganze Wahrheit erfahren. Aber ich werde den Verdacht nicht los, dass Isobels Verhalten mir gegenüber nicht nur bloßer Eifersucht oder der Angst entspringt, ich könne ihr den Vater wegnehmen, sondern dass es viel tiefer liegt. Sie scheint von der panischen Sorge getrieben zu sein, man könnte sie verlassen.«
Miss Macdonald wand sich. »Also, ich weiß nicht, ob man den dummen Klatsch der Hochlandbewohner einfach weitergeben darf. Diese Quelle ist nicht gerade zuverlässig. Sie kennen doch sicher Lady Ainsley aus Inverness, die Mutter von Murron.«
»Ja, sicher, sie hat ihren Mann doch letztes Jahr durch eine Krankheit verloren.«
»Sie redet gern über andere, besonders über Sir Niall Munroy, und es gelang mir nicht, sie in ihre Schranken zu weisen. Es war kurz nach dem Tod ihres Mannes, also ließ ich sie reden. Aber glauben Sie mir, es kam nichts als albernes Geplapper heraus.«
»Mademoiselle Macdonald, isch mische misch ungern ein, es geht misch auch gar nischts an, aber isch glaube, Mademoiselle Cambelle sollte alles wissen, was mit die Tod von Isobels Maman zu tun at. Isch glaube auch, das Kind ist durscheinander von die alte Geschischte. Sie war kein Bébé mehr, sie at es mitbekommen. Das ist kein gewöhnlisch Eifersucht, das ist mehr.«
Täuschte sich Lili, oder hatte sich der Blick der Direktorin verfinstert? »Ich weiß nicht … ich habe Sorge, dass ich mehr Schaden anrichte, als dass es jemandem nützen könnte«, murmelte sie.
»Bitte, erzählen Sie mir, was Sie wissen!«
»Sie sind ein Quälgeist, Miss Campbell! Gut, wenn Sie unbedingt wollen – aber behaupten Sie später nicht, das hätte ich Ihnen als Wahrheit verkauft. Ich zitiere nur die schwatzhafte Lady Ainsley.«
Sie holte tief Luft, bevor sie fortfuhr. »Also, die Lady soll ins Wasser gegangen sein. Aber in keinen tiefen See, sondern in einen Bach unweit des Anwesens der Munroys, in dem man unter gewöhnlichen Umständen nicht ertrinken kann. Vorher soll sie sich die Pulsadern aufgeschnitten haben, so tief, dass sie ohnmächtig wurde und vornüber ins Wasser fiel. Und … Isobel soll sie gefunden haben.«
Lili konnte sich gerade noch rechtzeitig die Hände vor den Mund pressen, um ihr Entsetzen nicht laut hinauszuschreien.
13
Inverness, später Nachmittag des 24. Dezember 1913
»Liebling, aufwachen, wir sind gleich da!«, ertönte eine sanfte Stimme an Lilis Ohr. Sie schreckte hoch und rieb sich verwundert die Augen. Nun war sie doch noch
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