Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
vielen Spaziergänger, die an der Uferpromenade entlangspazierten, eingehüllt in warme Mäntel?
Als sie seine Hand auf ihrem Arm fühlte, wäre sie der zärtlichen Geste am liebsten ausgewichen, dann aber ließ sie ihn gewähren. Auch als er sich bei ihr unterhakte, nachdem er die Haustür aufgeschlossen hatte, wehrte sie sich nicht, obgleich ihr sein schneidender Ton immer noch im Ohr nachklang.
Sie betraten eine Diele, die mit dunklem Holz vertäfelt war. »Hinter jenen Türen liegen unsere Geschäftsräume, aber wir wohnen in der ersten und zweiten Etage. Ich zeige dir gleich dein Zimmer. Dann kannst du dich frisch machen, und ich hole dich zum Essen ab. Wir sollten uns beeilen, denn ich möchte vermeiden, dass Mutter oder Craig dich vor dem Essen zu Gesicht bekommt.«
»Wäre es nicht besser, du stellst mich deiner Familie gleich vor? Damit nimmst du ihnen unter Umständen den Wind aus den Segeln. In meiner Gegenwart werden sie deine Entscheidung, mich zum Fest mitzubringen, doch wohl kaum kritisieren, oder?«
Lili warf Niall einen versöhnlichen Blick zu, erschrak jedoch angesichts seiner finsteren Miene.
»Ich hätte sie gern schonend auf deinen Besuch vorbereitet, aber wie denn? Ich habe doch keine klare Antwort von dir bekommen – ich meine bis gestern. Du hast mich mit deinem dummen Brief gefoppt und hingehalten. Und ich wollte Gewissheit, bevor ich dich der Familie gegenüber erwähne.« Niall versuchte zu lächeln, was ihm gründlich misslang.
»Und du, meine Liebe, hältst auch den Mund«, fauchte er seine Tochter an, die dem Geplänkel feixend zugehört hatte. »Du kannst schon vorgehen, aber kein Wort über Lili zu deinem Onkel oder deiner Großmutter!«
»Pah«, machte Isobel verächtlich. »Über die da doch nicht!«
»Isobel, ich warne dich!«, zischte Niall, doch da war seine Tochter bereits die Treppen nach oben gerannt und verschwunden.
Niall und Lili folgten ihr gemächlich in den ersten Stock. Neugierig blickte Lili sich in dem fremden Haus um. Sie gingen einen langen Flur entlang. Überall an den Wänden hingen Bilder von ernst dreinblickenden Hochländern in traditioneller Kleidung. Es waren üppige Ölgemälde, die diese hochgewachsenen Männer in Siegerpose und mit ihren Waffen zeigten. Auffällig war, dass bei jedem von ihnen ein Sgian Dubh deutlich sichtbar im rechten Strumpf steckte. Nialls Vorfahren, vermutete Lili, was sie unschwer an den roten Lockenköpfen und den sommersprossigen Gesichtern erkannte. Eine Familienähnlichkeit war nicht zu leugnen.
Vor einem der Bilder blieb Lili erstaunt stehen. Es zeigte eine Familie. Zwei Jungen kauerten vor dem Sessel, auf dem die Mutter saß, eine streng dreinblickende Dame in einem hochgeschlossenen dunklen Kleid, das ihr etwas Ältliches verlieh. Die beiden Knaben sahen einander entfernt ähnlich. Beide waren sie rot gelockt und hatten auffällig helle blaue Augen. Der Vater, ein breitschultriger Mann, auf dessen Gesicht der Anflug eines spöttischen Lächelns zu erkennen war, stand hinter dem Sessel seiner Frau und hatte ihr die Hand auf die Schulter gelegt. Trotz dieser scheinbar zärtlichen Geste wirkte er doch ganz fern. Als gehöre er nicht dazu. Noch einmal schweifte Lilis Blick zu den Kindern zurück, die vielleicht fünf und sechs Jahre alt sein mochten.
»Bist du das, Niall?«, fragte sie, während sie auf den älteren der Jungen deutete und dann den Mann an ihrer Seite musterte. Keine Frage, die Ähnlichkeit war frappierend.
»Ja, das bin ich«, knurrte er. »Liebling, es ist wirklich besser, wenn du dich erst einmal unsichtbar machst«, fügte er ungeduldig hinzu. »Ich möchte nicht, dass dich Craig oder Mutter erspäht, bevor ich ihnen deine Anwesenheit angekündigt habe.«
Lili sah ihm fest in die Augen. »Wenn du meinst. Aber du kannst dir vielleicht vorstellen, dass mir das mächtig gegen den Strich geht. Warum versteckst du mich? Schließlich möchtest du mich heiraten.«
Niall seufzte gequält auf. »Die Wahrheit?«
Lili nickte.
»Ich tue es, um dich zu schützen. Sowohl Craig als auch seine Frau Shona sowie Mutter sind nicht die taktvollsten Menschen auf Erden. Jedenfalls nicht, wenn wir unter uns sind. Wenn Fremde dabei sind, können sie sich erstaunlich gut benehmen, aber ich wünsche nicht, dass deine erste Begegnung mit ihnen zu einem Fiasko gerät. Als meine zukünftige Ehefrau werden sie dich von Anfang an als Familienmitglied betrachten und keinerlei Rücksicht auf Befindlichkeiten nehmen.«
»Schon
Weitere Kostenlose Bücher