Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
begeistert waren, wenn das einfache Mädchen aus Edinburgh das Wort ergriff. In diesem Augenblick kehrten Niall und Isobel zurück, wie Lili aus den Augenwinkeln bemerkte. Das Mädchen hatte rot geweinte Augen. Niall aber machte Lili aufgeregt ein Zeichen, sich zu setzen. Lili zögerte, doch sie wollte keinen Rückzieher mehr machen. Wenn niemand sich traute, Isobel und ihre eigene Ehre zu verteidigen, dann musste sie das eben erledigen. Ganz gleich, wie böse Niall auf sie nachher wäre. Wie gut, dass ich eine laute Stimme habe, dachte sie, bevor sie zu sprechen begann.
»Ich kenne beide Mädchen aus der Schule. Und zwar sehr gut. Ich war ihre Lehrerin in St. George’s, und ich habe so manchen Streit zwischen den beiden geschlichtet. Und Sie dürfen mir glauben, Isobel ist kein Kind, das andere körperlich angreift, und Murron kein Mädchen, das Gemeinheiten über seine Mitmenschen verbreitet. Wenn sie also so eine Gemeinheit über mich gesagt haben sollte, dann nur, weil sie irgendein Gespräch von Erwachsenen belauscht und es dann wahrscheinlich falsch wiedergegeben hat. Ich bezweifle nämlich, dass es jemanden gibt, der so gehässig über mich spricht.«
Lili legte eine kleine Pause ein und stellte nicht ohne Befriedigung fest, dass Lady Ainsley bei diesen Worten puterrot geworden war. »Wie sollte auch jemand schlecht über mich reden?«, fuhr Lili selbstsicher fort. »Sie kennen mich doch alle gar nicht. Noch nicht, aber das wird sich hoffentlich anlässlich vieler weiterer Feste ändern. Nicht zuletzt auf unserer Hochzeit, nicht wahr, Niall?« Lili nickte ihm zu, bevor sie weitersprach. »Diejenigen, die mich kennen, waren mit meiner Arbeit als Lehrerin stets zufrieden. Also, es kann sich wirklich nur um ein bedauerliches Missverständnis handeln. Darum sollten wir jetzt fröhlich weiterfeiern. Wie meine zukünftige Schwiegermutter schon sagte: Greifen Sie zu und lassen Sie es sich schmecken.«
Nach diesen Worten sank Lili auf ihren Stuhl zurück. Im Salon war es totenstill, bevor jemand begeistert in die Hände klatschte. Überrascht erkannte Lili, dass es Lord Fraser war. Wollte er sie zu allem Überfluss auch noch verspotten?
»Miss Campbell, Hut ab. Das war ein diplomatisches Glanzstück. Mein Kompliment!«, rief er ihr zu. Da begriff sie, dass ihre kleine Rede ihm ehrlich imponiert hatte. Nun fielen auch die anderen Gäste in den Applaus mit ein.
Mit Genugtuung musste Lili feststellen, dass Shona, Caitronia und sogar Lady Ainsley klatschten, wenngleich diese dabei ein Gesicht zog, als habe sie in eine Zitrone gebissen. Großmutter Mhairie und Dusten applaudierten am lautesten.
Caitronia hob ihr Whiskyglas. »Slàinte!«, rief sie. »Auf die Verlobten!«
Die gesamte Gesellschaft prostete Lili zu, und auch sie nahm ein Glas zur Hand. Als sich Nialls und ihr Blick kreuzten, lächelte er. Sie lächelte zurück, wenngleich sie immer noch enttäuscht war, dass er sie nicht in Schutz genommen hatte. Er aber bahnte sich einen Weg zu ihr und umarmte sie voller Stolz. Das tut er doch nur, weil ich mit meinen Worten einen guten Eindruck bei Lord Fraser gemacht habe, dachte sie bitter.
»Das hast du hervorragend gemeistert, Lady Munroy. Selbst den alten Lord hast du dir zum Freund gemacht, und das ist gar nicht so einfach«, flüsterte er ihr zu und bestätigte damit ihre Vermutung.
»Mir blieb keine andere Wahl, nachdem du mich im Stich gelassen hast«, entfuhr es ihr heftig, und Nialls Gesicht versteinerte förmlich. Doch da trat Dusten mit einem Glas in der Hand auf sie zu. »Du warst großartig«, lobte er Lili überschwänglich, bevor er beim Anblick von Nialls Miene stutzte. »Aber ich lasse euch lieber allein«, lachte er und war schon wieder in der Menge verschwunden.
»Nun nehmt euch doch endlich die Geschenke!«, forderte Caitronia ihre Gäste auf, was ein Gedrängel vor dem Kamin zur Folge hatte. Jeder schenkte jedem etwas, und Lili überlegte, ob sie Niall den Beutel mit dem Strumpfmesser überreichen solle, doch er kam ihr zuvor. »Nun mach es doch endlich auf«, verlangte er ein wenig ungeduldig und deutete auf das große Paket, das er ihr vor dem Eklat überreicht hatte.
»Danke«, hauchte sie und war erleichtert, dass er ihr die kleine Spitze nicht nachtrug. »Tut mir leid«, fügte sie leise hinzu. »Meine Bemerkung war nicht nett.«
»Aber die Wahrheit. Ich hätte Lady Ainsley eigenhändig vor die Tür befördern müssen, denn es gibt wohl keinen Zweifel, von wem das Kind diese
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