Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
ertönte plötzlich ein ohrenbetäubendes Geschrei, und Murron stürzte in Tränen aufgelöst auf ihre Mutter zu.
»Isobel hat mich ganz fest an den Haaren gezogen!«, heulte sie. Sie deutete zum Kamin.
Dort stand Isobel neben dem Kamin, die Arme vor der Brust verschränkt, die Unterlippe trotzig vorgeschoben.
»Isobel, wie kannst du nur?«, mischte sich Caitronia zornig ein. »Stimmt es, was Murron behauptet?«
Isobel schwieg finster, auch als ihre Großmutter drohend auf sie zutrat. »Stimmt das? Sprich! Hast du Murron an den Haaren gezogen?«
Isobel nickte.
»Du gibst es also zu? Dann gehst du sofort zu Bett. Hörst du?«
Isobel aber rührte sich nicht vom Fleck, obwohl sich von der anderen Seite Niall näherte. »Isobel, beantworte die Frage. Hast du Murron wehgetan?«
Stumme Tränen rannen über Isobels Gesicht.
»Gut, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als dich ins Bett zu schicken.«
»Fragt sie doch erst einmal nach dem Grund«, mischte sich Mhairie ein. »Sie hat es doch sicherlich nicht aus lauter Langeweile getan.«
Niall warf seiner Großmutter einen strafenden Blick zu, wollte sie aber offenbar nicht vor allen Gästen rügen, die das Geschehen ohnehin mit unverhohlener Neugier verfolgten.
Lili hielt den Atem an. Isobel war kein Kind, das ein anderes aus Bosheit an den Haaren zog. Das musste Niall doch wissen. Wie gern wäre sie Isobel zu Hilfe geeilt, aber sie wagte es nicht. Niall hätte ihr niemals verziehen, wenn sie sich in aller Öffentlichkeit vor seine Tochter und gegen ihn gestellt hätte.
Da hörte sie Isobel bereits verzweifelt schluchzen. »Sie hat gesagt, Lili ist ein durchtriebenes Luder, das meinen Daddy verführt hat, um eine Lady zu werden. Aber das wird sie niemals, hat sie gesagt, sie ist nichts als ein kleines Fl …« Das Kind brach ab und schlug die Hände vor das Gesicht.
Einen Augenblick lang herrschte entsetztes Schweigen im Raum. Lili fühlte sich von den Blicken der Anwesenden regelrecht durchbohrt. Ihr stockte der Atem, aber sie verzog keine Miene, sondern hielt den Blick auf die Gebäckschüssel auf dem Tisch vor sich gerichtet.
»Ainsley, Murron, wir gehen!«, befahl Lord Fraser mit verwaschener Stimme und stand auf. Sofort setzten ein Tuscheln und Flüstern ein und schwollen zu einem undurchdringlichen Stimmengewirr an.
»Nein, bitte bleibt! Es muss sich um ein bedauerliches Missverständnis handeln. Da hat sich Isobel sicherlich verhört«, mischte sich Caitronia mit hochrotem Kopf ein. »Und du, Isobel, verlässt sofort den Raum. Das war unartig von dir.«
Hoffentlich verteidigt Niall sie wenigstens!, dachte Lili, als sie hilflos mit ansehen musste, wie er seine Tochter am Arm packte und drohend zischte: »Komm, Isobel, wir sprechen uns unter vier Augen.«
Isobel folgte ihrem Vater mit gesenktem Kopf.
Lord Fraser herrschte seine Tochter an, sie solle ihm gefälligst zum Ausgang folgen. Lady Ainsley aber saß da wie ein Unschuldslamm und hob die Schultern, als wolle sie sagen: Ich weiß gar nicht, warum ihr euch alle so aufregt.
»Bitte, Alexander, das wird sich gleich aufklären«, flötete Caitronia und drückte den entrüsteten und leicht angetrunkenen Lord zurück auf seinen Stuhl.
»Das will ich hoffen«, brummte er, tat aber, was Caitronia verlangte, und blieb sitzen.
Murron war zu ihrer Mutter geflüchtet, die sie fest umklammert hielt, als müsse sie das schluchzende Kind vor weiteren Angriffen beschützen.
Lili bebte am ganzen Körper. Sie konnte nicht fassen, dass keiner aus der Familie auch nur ein einziges Wort zu Isobels Verteidigung vorbrachte. Doch plötzlich wandte sich Dusten an Murron. »Wenn du wirklich etwas so Hässliches über Miss Campbell gesagt hast, dann solltest du dich bei ihr entschuldigen.«
»Dusten, bitte!«, fauchte Caitronia, bevor sie in die Runde flötetete: »Wir wollen feiern! Liebe Freunde, greift zu!«
Lili kämpfte mit sich. Sollte sie aufspringen und das Fest verlassen? Sie hob den Kopf und blickte in die Runde. Die meisten wandten sich verlegen ab, nur aus Shonas Augen blitzte pure Schadenfreude. Ich will nicht schon wieder flüchten, dachte Lili entschlossen, und ohne lange zu überlegen, erhob sie sich und verschaffte sich mit klarer Stimme Gehör. »Liebe Gäste, ich bitte um Ruhe.«
Im Nu herrschte Stille, und alle Blicke richteten sich auf die fremde junge Frau. Sie versuchte, weder in Shonas noch in Caitronias Richtung zu sehen, ahnte sie doch, dass diese Familienmitglieder alles andere als
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