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Munzinger Pascha

Munzinger Pascha

Titel: Munzinger Pascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Capus
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»Wir haben hier eine dreiwöchige Nilfahrt von Kairo über Luxor bis nach Assuan für 4857,–, oder da eine zehntägige Kreuzfahrt auf dem Roten Meer inklusive Badespaß am Sinai für 2987,–, oder den Wüstentrip mit Kamel für . . .«
    »Ich will den Preis-Schocker. Drei Tage Kairo für nur 585,–«
    »Ach, Sie meinen das Angebot im Schaufenster. Nun, das würde ich Ihnen offen gestanden nicht empfehlen. Drei Tage sind doch etwas kurz für ein so großartiges Land wie Ägypten. Und bedenken Sie, daß die Preise . . .«
    »Ich will den Preis-Schocker.«
    ». . . nur wegen der Bombenattentate der Islamisten so niedrig sind. Die Hotels in Ägypten stehen halb leer, weil die Amerikaner und die Briten ausbleiben. Dabei besteht längst keine Gefahr mehr. Sie sollten sich wirklich mehr Zeit nehmen und . . .«
    »Ich habe kein Geld und keine Zeit. Ich will den Preis-Schocker.«
    ». . . auch an die Umwelt denken. Diese Pingpong-Flüge sind ökologisch betrachtet . . .«
    »Ich will den Preis-Schocker! Verdammt noch mal!«
    Papiergeraschel. »Wann möchten Sie reisen?«
    »Sofort.«
    »Heute?«
    »Jetzt gleich.«
    |56| Geklapper einer Computertastatur. Dann die Frauenstimme, hörbar abgekühlt: »Ich kann Ihnen für heute nachmittag einen Last-Minute-Flug Zürich-Kairo retour für 285,– anbieten, zwei Übernachtungen mit Halbpension im Hotel Carlton inklusive. Aber Sie müssen in . . . fünfundsiebzig Minuten am Flughafen sein. Paßt Ihnen das?«
     
    Zweiundsechzig Minuten später stand ich mit meiner Reisetasche vor dem Check-in-Schalter. Ich war umzingelt von alten Menschen, die alle damit beschäftigt waren, auf ihre gewaltigen Koffer achtzugeben, die sie auf quietschenden Gepäckwagen vor sich herschoben. Wenn sich die Senioren auf die bevorstehende Reise freuten, so ließen sie sich das nicht anmerken. Vielmehr schien jeder in Sorge zu sein, daß das Flugzeug ohne ihn abheben könnte oder daß links oder rechts ein Gepäckwagen überholen könnte. Wieder einmal wunderte ich mich darüber, wie traurig manche alten Menschen riechen. Der Atem meiner Reisegefährten roch nach Mißgunst und dem Staub auf vergessenen Kellerregalen; ihre Kleider verströmten den Geruch von Mottenkugeln und ängstlichem Kleinmut; unter plissierten Polyesterröcken müffelte es hervor nach Bigotterie und Doppelmoral, und aus hellgrauen Hosen dampfte der Dünkel jahrhundertealter Wohlanständigkeit. ›Lieber Gott‹, dachte ich und schloß die Augen zum Gebet. ›Bewahre mich armen Sünder vor diesem Schicksal. Falls Du vorhast, mich irgendwann zum Greis zu machen, so bitte ich Dich: Schenk mir Alterscharme und Lebensweisheit, o Herr, damit ich der Jugend zu Gefallen sein kann. Und falls das nicht |57| möglich sein sollte aus genetischen oder anderen Gründen, ruf mich rechtzeitig zu Dir. Ich bitte Dich, gütiger Vater: Laß mich diese Kneipe hienieden verlassen, solange ich aufrecht gehen kann. Ruf mich nach Hause, wenn Feierabend ist.‹
    Zweiundneunzig Minuten später strömten wir ins Flugzeug. Sitz Nummer 18 f war ein Fensterplatz. Ich setzte mich hin und beobachtete, wie auf der Rollbahn winzige Autos zwischen den Silbervögeln hin und her wieselten. Ein Tankwagen fuhr vorbei. Hübscher Tankwagen, rotweiß kariert. Sind doch alles kleine Jungs, diese Flughafenleute. Wären gern Piloten geworden und haben’s nicht geschafft. Jetzt malen sie rotweiße Karomuster auf die Tankwagen. Dann rollte unser Flieger auf die Startbahn, die Beschleunigung drückte mich freundlich in den Sitz, und als wir die Wolken durchstießen, schlief ich zufrieden ein.

|58| 11
    Sommer 1853.   Ein Jahr ist vergangen, der Wechsel des Vaters aufgebraucht. Werner Munzinger nimmt Abschied von Kairo und läuft zum Bahnhof. Aber sein Zug fährt nicht nach Alexandria, wo die europäischen Schiffe ankern, sondern in die entgegengesetzte Richtung, nach Suez am Roten Meer. Dort liegt eine kleine, kaum zehn Meter lange Barke im Hafen und wartet auf den blonden Jüngling, der bemerkenswert gut Arabisch spricht und seinen Anzug längst gegen die Galabiya, das lange Gewand der Araber, eingetauscht hat. In Werners Gepäck befinden sich zwei Pistolen, ein Säbel und ein Brief von seinem Bruder Walther.
     
    4.   Juni 1853
    Lieber Werner!
    Dein gewaltiges Unternehmen hat uns so in Alarm versetzt, daß ich gewiß jetzt noch nicht zu einem ruhigen Worte mit Dir kommen könnte. Was bin ich doch für ein armseliger Bursche! Einer, wie’s noch Millionen gibt, und der doch

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